Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
Rz. 339
Es muss eine objektive gesundheitliche Verbesserung bei der versicherten Person kausal zu einem Wegfall der Berufsunfähigkeit oder zumindest einer nach den AVB relevanten Verminderung des Grades der Berufsunfähigkeit geführt haben. Die gesundheitliche Verbesserung ist konkret daraufhin zu untersuchen, ob sie dazu führt, dass nun wieder die ehemalige Tätigkeit oder (erstmals) ein Verweisungsberuf ausgeübt werden kann. Es gilt der Maßstab der AVB entsprechend dem Erstprüfungsverfahren, da es um einen Wegfall der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit geht, so dass ggf. sowohl konkrete, als auch abstrakte Verweisungen möglich sind, je nachdem, was vereinbart wurde. Nicht relevant ist, wie es zu der gesundheitlichen Verbesserung gekommen ist. So ist auch die Durchführung einer riskanten Operation, der sich der Versicherte – ohne hierzu verpflichtet zu sein – unterzogen hat und die zu einer Verbesserung geführt hat, zu berücksichtigen. Hierbei kann der Versicherer eine psychiatrische Therapie oder die dauerhafte Einnahme von möglicherweise schädigenden Schmerzmitteln in nicht unerheblicher Dosis zur Verbesserung des Gesundheitszustandes allerdings nicht verlangen.
Rz. 340
Problematisch ist die Frage der gesundheitlichen Verbesserung insbesondere dort, wo der Versicherungsfall einen bestimmten Grad der Berufsunfähigkeit erfordert. Hier ist der Vergleich der Lage bei Erstentscheidung mit der bei Nachprüfung mit besonderen Schwierigkeiten behaftet, weil die Versicherer ihren Entscheidungen häufig keinen bestimmten Grad zugrunde legen. Erfordern die Bedingungen einen Grad der Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % und äußert sich der Versicherer nicht ausdrücklich, so ist zu unterstellen, dass der Versicherer nur von dem zur Leistungspflicht mindestens erforderlichen Grad ausgegangen ist. Dies bedeutet, dass im Nachprüfungsverfahren ggf. bereits eine sehr kleine Verbesserung, d.h. ein Absinken auf lediglich noch 49 %, dazu führen kann, dass die Voraussetzungen des Versicherungsfalls wegfallen. Die Nachprüfung ist das Spiegelbild der Erstprüfung.
Hinweis
Die Feststellungen eines im Nachprüfungsverfahren beauftragten Gutachters wie auch eines Gerichtsgutachters, müssen sich mit der Zustandsveränderung seit dem Anerkenntnis befassen und sich grundsätzlich an dem für das Leistungsanerkenntnis maßgeblichen Berufsbild orientieren. Nur dann ist eine adäquate Vergleichsbetrachtung möglich.
Die Beweislast für eine bedingungsrelevante Verbesserung des Gesundheitszustandes trägt der Versicherer. Solange im Nachprüfungsverfahren eine relevante Besserung des Gesundheitszustandes nicht festgestellt werden kann oder sich die medizinischen Feststellungen nicht an dem maßgeblichen Berufsbild des Ursprungs- oder Verweisungsberufes orientieren, ist ein Wegfall der Berufsunfähigkeit nicht nachgewiesen.
Rz. 341
Eine irrtümliche Falschbeurteilung des Gesundheitszustandes des Versicherten und ihre Auswirkungen auf die Abgabe eines Leistungsanerkenntnisses rechtfertigen keine Abänderung im Nachprüfungsverfahren. Dies gilt auch dann, wenn ein Gutachten im Nachprüfungsverfahren ergibt, dass die Berufsunfähigkeit bereits im Zeitpunkt des Anerkenntnisses z.B. infolge einer Fehldiagnose tatsächlich nicht vorgelegen hat. Der Versicherer bleibt vielmehr an sein Anerkenntnis gebunden. Eine unterschiedliche Bewertung des tatsächlich unveränderten Gesundheitszustandes gibt dem Versicherer kein Recht zur Leistungseinstellung. Es ist nicht Aufgabe des Nachprüfungsverfahrens, die einem Leistungsanerkenntnis zugrunde liegende Beurteilung der Berufsunfähigkeit auf ihre ursprüngliche Richtigkeit hin zu überprüfen (siehe auch Rdn 330).
Rz. 342
Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn das Anerkenntnis wegen arglistiger Täuschung im Nachprüfungsverfahren noch fristgerecht anfechtbar wäre oder die AVB ausnahmsweise eine Fehlerkorrektur im Nachprüfungsverfahren ausdrücklich vorsehen. Soweit ersichtlich, ist dies jedoch in keinem Bedingungswerk der Fall. Wenn im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens die Gründe für die vorherige Anerkennung der Leistungspflicht nicht mehr rekonstruierbar sind, wird es deshalb für den Versicherer schwer, sich im Zuge der Nachprüfung vom Anerkenntnis zu lösen.
Rz. 343
Die bloße Befürchtung, aufgrund einer Disposition könne eine ausgeheilte Krankheit noch einmal auftreten – insb. bei Wiederaufnahme der bisherigen Tätigkeit – stellt keine Fortdauer des Versicherungsfalls dar, so dass Leistungen im Nachprüfungsverfahren eingestellt werden können. Von einer fortbestehenden Berufsunfähigkeit ist nur dann auszugehen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Wiederaufnahme der Tätigkeit zu einer Aktualisierung der gesundheitlich bedingten beruflichen Einschränkungen führen wird. Andererseits rechtfertigt die bloße Erwartung künftiger Gesundheitsverbesserungen auch keine Leistungseinstellung zum Nachteil des Versicherten. Treten während des Na...