Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
a) Grundsätzliches
Rz. 30
Gemäß § 172 Abs. 2 VVG sowie § 2 Abs. 1 MB BUV/BUZ 22 und den meisten auf dem deutschen Markt befindlichen Bedingungswerken muss die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls voraussichtlich dauerhaft außerstande sein, ganz oder teilweise den zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben, um einen Leistungsanspruch begründen zu können. Hierbei ist eine scharfe Abgrenzung der einzelnen gesundheitlichen Voraussetzungen "Krankheit", "Körperverletzung" und "Kräfteverfall" nicht zwingend erforderlich.
Hinweis
Wichtig ist jedoch, dass eine hinzutretende weitere Diagnose einen weiteren Versicherungsfall darstellt und daher bei einem solchen Nachschieben von Gründen regelmäßig noch keine Fälligkeit der diesbezüglichen Ansprüche gegeben ist. Treten während eines Gerichtsverfahrens neue gesundheitliche Beeinträchtigungen auf, sollten diese erst einmal außergerichtlich beim Versicherer angemeldet werden.
Rz. 31
Mehr als 25 % aller Berufstätigen können ihren Beruf wegen Krankheit nicht bis zum Beginn des Rentenalters ausüben. Die Ursachen der Berufsunfähigkeit werden von Versicherern leicht unterschiedlich angegeben, so etwa wie folgt:
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Psychische Störungen 43,1 %, |
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Sonstige Erkrankungen 18,4 %, |
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Skelett, Muskulatur, Bindegewebe 12,9 %, |
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Krebs 12,5 %, |
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Herz, Kreislauf 9,5 %, |
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Stoffwechsel, Verdauung 3,6 %. |
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Damit nehmen psychische Erkrankungen einen gewichtigen Raum bei den Ursachen der Berufsunfähigkeit ein (siehe hierzu im Folgenden). |
b) Krankheit
Rz. 32
Krankheit ist vom Grundsatz her ein regelwidriger physischer oder psychischer Zustand der versicherten Person bzw. eine Störung der Lebensvorgänge im Organismus, die geeignet ist, die Ausübung eines Berufs funktionell zu beeinträchtigen. Auf eine Behandlungsbedürftigkeit kommt es allerdings nicht an. Der Krankheitsbegriff ist schwer zu fassen, weil selbst in der Medizin teilweise keine einheitlichen Definitionen existieren. In der BUV relevant ist nur eine Krankheit (oder anderweitige bedingungsgemäße Gesundheitsstörung), die geeignet ist, die berufliche Leistungsfähigkeit mindestens im vereinbarten Prozentsatz zu beeinträchtigen; die Beweislast hierfür trägt der Versicherte. Von den medizinisch anerkannten Krankheiten sind grundsätzlich bloße diagnostische Einordnungen oder Beschreibungen von Symptomen zu unterscheiden. So soll z.B. ein "Burn-out-Syndrom" für sich genommen keine Krankheit im Sinne der BUV/BUZ sein. Hinter dieser Bezeichnung kann sich jedoch eine Depression und/oder eine andere psychische Erkrankung verbergen.
Ebenso ist die subjektive Schikane am Arbeitsplatz, das. sog. Mobbing, keine Krankheit. Wenn hieraus jedoch objektiv nach ärztlicher Befundung regelwidrige Zustände folgen, kann eine "Krankheit" angenommen werden.
Zu beachten ist im Hinblick auf den Krankheitsbegriff allerdings der stetige Wandel im medizinischen und gesellschaftlichen Verständnis, so dass sich durchaus auch neue Krankheitsbilder etablieren können. Letztlich ist die sprachliche Bezeichnung nicht entscheidend, sondern die Auswirkungen, die ein bestimmter gesundheitlicher Zustand – egal, wie dieser benannt wird – mit sich bringt.
Rz. 33
Ein genereller Ausschluss vom Versicherungsschutz (Risikoausschluss) für bestimmte Krankheiten in AVB – so etwa für psychische Erkrankungen – ist nicht statthaft, weil gegen das Leitbild der §§ 172 ff. VVG verstoßend. Individuelle Ausschlüsse wegen bestimmter Vorerkrankungen sind freilich zulässig.
Rz. 34
Auch psychische Krankheiten und somatoforme Beschwerden können selbstverständlich Berufsunfähigkeit begründen, wenn sie Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen haben. Abzugrenzen ist eine psychische Krankheit von einer willentlich beherrschbaren Simulation oder Aggravation. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Auswirkungen psychischer Erkrankungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit regelmäßig weder durch bildgebende noch durch andere naturwissenschaftlich reproduzierbare Verfahren dokumentiert werden können. Damit kann kein "hundertprozentiger Beweis" erbracht, sondern nur eine bestimmte Wahrscheinlichkeit für deren Vorliegen festgestellt werden. Diese muss nach herrschender Meinung bei 80–90 % liegen, damit ein Vollbeweis angenommen werden kann. Auch sonstige objektivierbare Umstände, wie eine lange Leidensgeschichte, können dazu beitragen, somatoforme Störungen nachzuweisen.
Rz. 35
In der psychiatrisch-psychotherapeutischen Diagnostik gibt es keine völlig verlässliche Methode, Störungen des Befindens und Erlebens durch bestimmte Messergebnisse zu objektivieren. Daher kommt es wesentlich auf die Angaben des Versicherten an sowie auf die Beobachtung von dessen Verhalten durch den Sachverständigen. Allerdings darf der Sachverständige die Schilderungen des Versicher...