Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
Rz. 330
Die tatsächlichen Umstände müssen sich zugunsten des Versicherers so verändert haben, dass – im Vergleich zu der im Zeitpunkt des Leistungsbeginns bestehenden Lage – Berufsunfähigkeit nicht mehr besteht. Im Nachprüfungsverfahren kommt es nur auf Umstände an, die nach dem Anerkenntnis oder nach der letzten mündlichen Verhandlung im Prozess eingetreten sind. Daher kann ohne Änderung der Verhältnisse nicht auf einen Beruf verwiesen werden, auf den schon ursprünglich hätte verwiesen werden können.
Beispiel
War der Versicherungsnehmer nach den ärztlichen Feststellungen zur Zeit des Leistungsanerkenntnisses in einem denkbaren Verweisungsberuf nur zu weniger als 50 % berufsunfähig, hat aber der Versicherer von der Möglichkeit der Verweisung seinerzeit keinen Gebrauch gemacht, dann ist ihm eine Verweisung der versicherten Person im Nachprüfungsverfahren verwehrt.
Allerdings kann der Versicherer auch im laufenden Prozess den Wegfall der Voraussetzungen der Leistungspflicht ab einem bestimmten Zeitpunkt einwenden.
Rz. 331
Das Nachprüfungsverfahren dient nicht dazu, frühere Fehleinschätzungen bei der Feststellung der Berufsunfähigkeit zu korrigieren. Ein Nachschieben von vormals bekannten Gründen ist unzulässig. Sämtliche bei Erstprüfung dem Versicherer bereits positiv bekannte Umstände müssen bei der Nachprüfung außer Betracht bleiben, auch wenn sie sich auf vorhersehbare Entwicklungen bezieht, z.B. eine vom Versicherten geplante Arbeitsaufnahme.
Rz. 332
Dies gilt allerdings nicht für mehrere aufeinander folgende Nachprüfungsverfahren, sondern nur für das Verhältnis von Erstprüfung und erster Nachprüfung. Hat der Versicherer ein Anerkenntnis abgegeben und sich im Rahmen eines ersten Nachprüfungsverfahrens nicht auf bestimmte ihm bekannte Umstände berufen, ist er hiermit nicht für eine weitere Nachprüfung präkludiert. Der dem ursprünglichen Anerkenntnis zugrunde liegende Zustand bleibt grundsätzlich Vergleichsbasis, auch bei mehrfachen, aufeinanderfolgenden Prüfungen des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit.
Rz. 333
Waren bestimmte Umstände zwar objektiv gegeben, jedoch dem Versicherer nicht positiv bekannt, so kann der Versicherer sich nach der Rechtsprechung nicht darauf berufen, dass er nun über neue Erkenntnisse verfügt. Vielmehr kommt es lediglich auf eine tatsächliche Änderung der Umstände an – von der der Versicherer freilich, um ein Nachprüfungsverfahren erfolgreich durchführen zu können – auch Kenntnis erlangen muss. In der Literatur wird jedoch vertreten, dass es keinen Bestandsschutz gebe und der Versicherer – jedenfalls wenn gesundheitliche Verbesserungen vorliegen – den Fall komplett neu untersuchen und bewerten dürfe; es komme auf den Kenntnisstand des Versicherers und dessen ggf. nachträgliche Erkenntnisse an.
Rz. 334
Auch hat sich der BGH mit der Frage auseinandergesetzt, dass eine wirksame Verweisung im Nachprüfungsverfahren nur dann in Betracht kommt, wenn die andere Tätigkeit mit der bisherigen Lebensstellung vergleichbar ist, welche von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt wird, die sich wiederum daran orientiert, welche Fähigkeiten und Kenntnisse die ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Hierbei sei bei dem für die Verweisbarkeit des Versicherten auf eine andere berufliche Tätigkeit gebotenen Einkommensvergleich das vor Geltendmachung der Berufsunfähigkeit tatsächlich erzielte Einkommen grundsätzlich nicht auf den Vergleichszeitpunkt fortzuschreiben oder gar hochzurechnen. Die Lohn- und Gehaltsentwicklung im Ursprungsberuf müsse daher außer Betracht bleiben. Eine Ausnahme gebe es dann, wenn sonst aufgrund eines besonders langen Zeitraums zwischen dem Eintritt der Berufsunfähigkeit und ihrer Nachprüfung eine objektive Vergleichbarkeit des Einkommens und der Lebensstellung nicht mehr gewährleistet wäre. Hierzu bedürfe es aber entsprechenden Parteivortrags.
Rz. 335
Nach Rechtsprechung des BGH bleibt der Versicherer bei unverändertem Fortbestand der für die Beurteilung maßgeblichen, ihm bekannt gewordenen Umstände an sein erklärtes Anerkenntnis gebunden und ist nicht befugt, den Grad der Berufsunfähigkeit des Versicherten und etwaige Verweisungsmöglichkeiten jederzeit "ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und/oder seiner Kenntnis hiervon" abweichend von seiner früheren Anerkenntniserklärung zu bewerten. Ein Versicherer bleibt jedenfalls an die Tatsachenfeststellungen, die er der Anerkennung der Leistungspflicht zugrunde gelegt hat, auch im Nachprüfungsverfahren gebunden, weil Gegenstand der Nachprüfung nur Veränderungen desjenigen Zustands sind, der die Grundlage für die seinerzeitige Anerkennung der Berufsunfähigkeit gebildet hat. Eine falsche Beurteilung von Seiten des Versicherers berechtigt bei unveränderten Verhältnissen nicht zur Abänderung.
Rz. 336
Zu prüfen ist also, ob
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in formeller Hinsicht dem Versicherungsnehmer eine rechtswirksame Änderungsmitteilung des Versicherers i.S.v. § 174... |