Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
Rz. 49
Häufig sehen die vertraglichen Regelungen vor, dass von einer Berufsunfähigkeit nur auszugehen ist, wenn der Versicherte zu einer bestimmten Prozentzahl nicht mehr in der Lage ist, seine vormalige Berufstätigkeit auszuüben (vgl. auch § 2 MB BUV/BUZ 22; zur Bestimmung des Grads siehe Rdn 48).
In der Regel besteht Leistungspflicht bei einer mindestens 50 %igen Berufsunfähigkeit der versicherten Person. Ist vertraglich ein Berufsunfähigkeitsgrad von 50 % vereinbart, dann ist das Risiko, schon bei einer Berufsunfähigkeit von z.B. 30 % den Arbeitsplatz zu verlieren oder erhebliche wirtschaftliche Einbußen zu erleiden, nicht versichert. Zur Beurteilung bei Selbstständigen siehe Rdn 101.
Rz. 50
Darüber hinaus sind auch vertragliche Staffelregelungen denkbar, wenn auch nicht (mehr) üblich. Diese können etwa vorsehen, dass Rente und Beitragsbefreiung bei einer Berufsunfähigkeit von z.B. 75 % vollständig, bei unter 25 % gar nicht und bei mindestens 25 % entsprechend dem Grad der Berufsunfähigkeit geleistet werden müssen.
Rz. 51
Der Umfang der Berufsunfähigkeit richtet sich aber nicht immer nach einer rein quantitativen, also zeitlichen, Betrachtung der noch und der nicht mehr erbringbaren Leistungen der versicherten Person; denn es muss ihr ein adäquates Arbeitsfeld verbleiben, wenn die Berufsunfähigkeit ausgeschlossen sein soll. Es hat also auch eine qualitative Betrachtung zu erfolgen. Der Maßstab der Arbeitszeit versagt, wenn die Unfähigkeit, einzelne Arbeitsschritte auszuführen, dazu führt, dass ein sinnvolles Arbeitsergebnis nicht mehr erzielt werden kann. Ist der Versicherungsnehmer z.B. wegen einer somatoformen Schmerzstörung nur noch imstande, drei von acht Stunden täglich mit Pausen und Unterbrechungen tätig zu sein, kann bei der erforderlichen wertenden Gesamtbetrachtung wegen der Bedeutung der Unmöglichkeit zu kontinuierlicher Leistungserbringung als Grad der Berufsunfähigkeit im Ergebnis ein deutlich höherer Anteil als derjenige von rechnerischen fünf Achteln angenommen werden.
Hierbei ist demnach auf das Arbeitsergebnis, für welches der Versicherungsnehmer eingestellt wurde, abzustellen.
Beispiele
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Ein selbstständiger Handelsvertreter für Außenwerbung, dessen Tätigkeit zu mehr als 50 % darin besteht, mit dem Pkw unterwegs zu sein und nach geeigneten Werbeflächen zu suchen, und dem wegen des Auftretens epileptischer Anfälle untersagt wird, ein Kraftfahrzeug zu führen, ist berufsunfähig. |
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Der in abhängiger Stellung tätige Ingenieur, der krankheitsbedingt nicht mehr zum Klettern auf Maschinen, Leitern und Dachstühlen imstande ist, dafür bisher 40 % seiner Arbeitskraft aufgewandt hat, aber noch Bürotätigkeiten am Schreibtisch ausführen kann, die 60 % seiner Arbeitszeit ausmachen, ist berufsunfähig, wenn jedenfalls 10 % dieser Tätigkeit auf die Auswertung von Erkenntnissen entfallen, die er persönlich bei den Klettertätigkeiten gewonnen hat. |
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Wenn eine vollschichtige Tätigkeit täglich vier Stunden Autofahrt voraussetzt und damit vom Versicherten verlangt wird, uneingeschränkt mobil zu sein, um als Fachbereichsleiter Baustellen zu besuchen und Störungen aufzunehmen, so ist er, wenn er aus medizinischen Gründen täglich mit Unterbrechungen nicht mehr als ein bis zwei Stunden im Auto verbringen kann, nicht zu einem bestimmten Prozentsatz, sondern vollständig berufsunfähig, weil seine Gesundheit uneingeschränkte Mobilität nicht zulässt. |
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Auch ein Fliesenleger, der primär die Sanierung von Badezimmern in Altbauten betreibt, ist berufsunfähig, wenn er aufgrund einer Halserkrankung mittelschwere und schwere Tätigkeiten nicht mehr ausüben darf, selbst wenn er durch anderweitigen Arbeitseinsatz noch mehr als 50 % seines bisherigen Berufes ausüben könnte. |
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Wenn eine Haushälterin nach einem Treppensturz weder putzen noch Einkäufe transportieren kann, ist sie bereits dann berufsunfähig, wenn es sich hierbei um nicht abtrennbare Einzelverrichtungen des beruflichen Gesamtvorgangs handelt. |
Rz. 52
Außerdem versagt bei Arbeitnehmern der quantitative Maßstab auch dann, wenn der Arbeitgeber die versicherte Person für eine bestimmte Tätigkeit eingestellt hat, die diese aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen in ihrem wesentlichen Teil nicht mehr ausüben kann.
Beispiele
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Die Zahnarzthelferin, die zur Assistenz des Zahnarztes am Behandlungsstuhl eingestellt wurde und wegen Rückenbeschwerden diesen unter 50 % liegenden Teil ihrer Arbeit nicht mehr ausführen kann, ist vollständig berufsunfähig. |
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Ein Filialleiter in einem kleinen Markt, dessen Aufgabenbereich sich aus 30 % leitender Tätigkeit, 40 % kaufmännischer und leichter körperlicher Arbeit und 30 % aus schwererer körperlicher Tätigkeit, wie dem Tragen schwerer Kartons und Kisten zusammensetzt, ist vollständig berufsunfähig, wenn er den letztgenannten Arbeitsbereich aus Krankheitsgründen nicht mehr wahrnehmen kann, dieser Bereich bis dahin ausschließlich von ihm wahrgenommen worden ist und mangels geeigneter w... |