Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
Rz. 53
Die Berufsunfähigkeit infolge gesundheitlicher Gründe muss voraussichtlich dauerhaft sein (§ 172 Abs. 2 VVG) oder jedenfalls für einen bestimmten, in den AVB festgelegten Zeitraum, andauern (vgl. § 2 Abs. 1 MB BUV/BUZ 22). Der Zeitpunkt, ab dem diese medizinische Prognose über die Dauer möglich ist, bestimmt gleichzeitig den Eintritt des Versicherungsfalls. Diese Beurteilung erfordert eine medizinisch fundierte Prognose des Inhaltes, dass nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft eine Erwartung auf Besserung nicht mehr gerechtfertigt ist.
Rz. 54
Hinweis
Die Prognose hinsichtlich der Dauerhaftigkeit ist – rückschauend – aus der Sicht des geltend gemachten Leistungszeitraums zu stellen, so dass spätere Erkenntnisse und Entwicklungen außer Betracht zu bleiben haben. Häufig steht der richtige Beurteilungszeitpunkt im Streit und muss nachträglich im Prozess überprüft werden. Es ist dann der Zeitpunkt festzustellen, zu dem ein gut ausgebildeter, sorgfältig handelnder Arzt unter Berücksichtigung des seinerzeitigen medizinischen Standards einen Zustand des Versicherten als gegeben angesehen hätte, der keine Besserung des Gesundheitszustandes erwarten ließ.
Der Versicherungsnehmer muss den Vollbeweis dafür führen, dass und wann die bedingungsgemäße erforderliche ärztliche Prognose nach §§ 172 Abs. 2 VVG, 2 Abs. 1 BUZ 22 möglich war.
Rz. 55
Ist ein Zeitraum für die Prognose, dass die Berufsunfähigkeit voraussichtlich dauernd vorliegt, nicht in den AVB geregelt, wird vielfach auf einen Zeitraum von drei Jahren abgestellt. Nach neuerer BGH-Rechtsprechung gibt es allerdings keine feste zeitliche Grenze für den Prognosezeitraum, wenn dieser nicht ausdrücklich in den AVB genannt ist. Zum Teil ist der Drei-Jahres-Zeitraum in die Bedingungen aufgenommen worden. Zum Teil wird – und das ist für die Versicherungsnehmer deutlich vorteilhafter – in den Bedingungswerken aber auch nur auf einen sechs-Monats-Zeitraum abgestellt. Auch nach allgemeinem Sprachgebrauch dürfte für eine "Dauerhaftigkeit" von einer Zeitdauer von jedenfalls über sechs Monaten auszugehen sein. Es muss aber auf die individuellen Umstände, wie die Art der Tätigkeit und der Erkrankung abgestellt werden. So steht sie bei bestimmten Erkrankungen sofort fest, wohingegen sie bei anderen Erkrankungen erst nach einer langen Behandlungsdauer absehbar ist.
Rz. 56
Ist der Versicherte noch immer in Behandlung und ist deren Ergebnis noch nicht absehbar, so wird es häufig noch an einer Dauerhaftigkeit fehlen, falls Aussicht auf Besserung besteht. Die Dauerprognose kann bei feststehender Erkrankung dann nicht ohne Weiteres gestellt werden, wenn die Erkrankung ihrer Natur nach von selbst ausheilt oder zumindest ausheilen kann. Bei degenerativen Erkrankungen kann regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass diese von selbst ausheilen. Die Prognose voraussichtlicher Dauerhaftigkeit kann auch dann nicht gestellt werden, wenn der Versicherungsnehmer eine erfolgversprechende Behandlung durchführen lässt oder sich zur alsbaldigen Durchführung einer Operation entschließt, die bei günstigem Ergebnis seine Berufsfähigkeit wieder herstellen kann. Das Gleiche gilt für einen ärztlich veranlassten Aufenthalt der versicherten Person in einer Rehaklinik. Allerdings muss sich die versicherte Person einer Operation, die nicht gänzlich ungefährlich und schmerzfrei ist, mangels Zumutbarkeit in keinem Falle unterziehen. Die Entscheidung für oder gegen eine Operation muss dem Patienten überlassen werden, denn ein operativer Eingriff verletzt die körperliche Integrität. Ebenso muss der Versicherte eine ärztliche Anordnung nicht befolgen, wenn eine vorgeschlagene Therapie keine Aussicht auf Erfolg bietet.
Rz. 57
Bereits in den MB BUV/BUZ 2008 war keine Möglichkeit mehr für den Versicherer vorgesehen, durch den untersuchenden oder behandelnden Arzt medizinische Anordnungen treffen zu lassen, um die Heilung zu fördern oder die Berufsunfähigkeit zu mindern. Auch wenn neuere AVB eine solche Möglichkeit i.d.R. nicht mehr vorbehalten, ändert dies nichts daran, dass die in früheren Bedingungen vorgesehenen medizinischen Anordnungen noch zu beachten sein können. Das ab 1.1.2009 gültige VVG sieht zwar solche medizinischen Anordnungen nicht vor, schließt sie aber auch nicht generell aus. Die älteren AVB beschränken das Recht zu solchen medizinischen Anordnungen ohnehin regelmäßig auf den Bereich des Zumutbaren. Zumutbar sind Behandlungen und Therapien, die gefahrlos und nicht mit besonderen Schmerzen verbunden sind und die außerdem sichere Aussicht auf zumindest Besserung der gesundheitlichen Situation bis zur Leistungsgrenze bieten. Ärztliche Anordnungen im Sinne der älteren AVB sind zudem nicht bloße ärztliche Ratschläge, sondern nur konkrete Weisungen. Die von einem Gutachter geäußerte Ansicht, die Beschwerden könnten durch zumutbare konservative Maßnahmen gemildert werden, stellt keine ärztli...