Leitsatz (amtlich)

Die rückschauende Feststellung von Berufsunfähigkeit verlangt die Klärung, wann nach sachverständiger Einschätzung in der Vergangenheit ein gutausgebildeter, wohl informierter und sorgfältig handelnder Arzt nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft erstmals einen gesundheitlichen Zustand des Versicherungsnehmers als gegeben angesehen hätte, der keine Besserung mehr erwarten ließ.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 19.05.2004; Aktenzeichen 12 O 133/03)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 19.5.2004 - 12 O 133/03 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

IV. Der Streitwert wird auf 6.586,80 EUR festgesetzt.

V. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger, von Beruf Betonmaurer, nimmt die Beklagte aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Anspruch.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Versicherungsvertrag Nr. ...).

Am 21.12.2001 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Verletzung am rechten Fuß zuzog. Seit dem Unfalltag ist er arbeitsunfähig erkrankt geschrieben. Bei der Erstbehandlung am 21.12.2001 wurde - entgegen der nunmehr unstreitigen Diagnose "Maisonneuve-Fraktur" - lediglich eine Distorsion des rechten Sprunggelenks diagnostiziert. Auch bei einem am 25.1.2002 durchgeführten MRT wurde lediglich die Fraktur des rechten Sprunggelenks bestätigt.

Am 27.6.2002 fand ein Arbeitsversuch statt, der jedoch vom Kläger aufgrund von Schmerzen durch die Verletzung abgebrochen wurde.

Mit Schreiben vom 14.1.2003 erkannte die Beklagte die Berufsunfähigkeit des Klägers an und gewährte diesem rückwirkend ab dem 1.7.2002 die vertraglich vereinbarte Beitragsbefreiung sowie eine Rentenzahlung.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung für die Zeit vom 1.1.2002 bis 30.6.2002.

Der Kläger hat behauptet, er sei seit dem Unfall vom 21.12.2002 berufsunfähig, so dass die Beklagte bedingungsgemäß ab dem 1.1.2002 zur Leistung verpflichtet sei. Bei der Prognose, ob von Anfang an Berufsunfähigkeit eingetreten sei, sei - in Anlehnung an § 2 Abs. 3 BUZ - auf einen Zeitraum von 6 Monaten abzustellen. Eine - ggf. sein Leiden verbessernde - Operation sei ihm nicht zuzumuten gewesen, da sie mit erheblichen Risiken verbunden gewesen wäre.

Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, dass Berufsunfähigkeit nicht von Anfang an - und sicher nicht bis Juli 2002 - hätte prognostiziert werden können. Aus der Erstbehandlung mit der Diagnose "Sprunggelenkfraktur" hätten sich keine Anhaltspunkte für knöcherne Traumafolgen ergeben, dies gelte auch für die MRT-Aufnahme vom 25.1.2002. Auch die weiteren Arztberichte vom 9.4.2002 und 28.5.2002 des Chefarzts Priv.-Doz. Dr. L. hätten eine Berufsunfähigkeit des Klägers nicht festgestellt. Der Kläger habe sogar im Anschluss an die MRT-Aufnahme vom 9.7.2002 an einer Reha-Maßnahme teilgenommen.

Das LG hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass der Kläger den Nachweis, dass er bereits ab dem Unfalltag zu mindestens 50 % außerstande gewesen sei, seinen Beruf als Maurer auszuüben und damit berufsunfähig gewesen sei, nicht geführt habe. Der Sachverständige, dem dargelegt worden sei, dass es darauf ankomme, zu welchem Zeitpunkt ein gut informierter, sorgfältiger, wohl ausgebildeter Arzt erstmals zu der Einsicht gelangt wäre, dass eine Steigerung der Berufsfähigkeit des Klägers vor Ablauf von drei Jahren nicht mehr zu erwarten sei, habe nachvollziehbar und überzeugend ausgesagt, dass dies erstmals nach dem Fehlschlagen des Arbeitsversuchs im Juni 2002 der Fall gewesen wäre. Der Sachverständige habe bekundet, dass im Januar 2002 eine günstige Prognose für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers noch nicht ausgeschlossen gewesen sei. Denn es sei zu diesem Zeitpunkt durchaus noch möglich gewesen, dass die Fraktur wieder fest verheile. Bis zur Durchführung des Arbeitsversuchs sei eine sichere Prognose über die Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit nicht zu stellen gewesen. Somit sei eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit erst im Juni 2002 eingetreten.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er die tatsächliche und rechtliche Würdigung des LG beanstandet. Nach Ansicht des Klägers habe das LG verkannt, dass bei der Frage des Eintritts der Berufsunfähigkeit darauf abgestellt werden müsse, wann erstmals ein Zustand und damit ein objektives Krankheitsbild gegeben sei, der nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft keine Erwartung auf Besserung mehr rechtfertige, nicht jedoch, wann ein gut informierter, sorgfältiger und wo...

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