Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
Rz. 459
Hat der Versicherer gemäß § 19 Abs. 2 VVG nach Eintritt des Versicherungsfalls wirksam den Rücktritt erklärt, ist er nicht zur Leistung verpflichtet. Ausnahmsweise bleibt die Leistungsverpflichtung bestehen, wenn die Verletzung der Anzeigepflicht sich auf einen Umstand bezieht, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich war (§ 21 Abs. 2 S. 1 VVG). Der Versicherungsnehmer kann jedoch seinerseits nachweisen, dass die Nichtanzeige weder vorsätzlich noch grob fahrlässig war. Diese Möglichkeit des Versicherten, eine abweichende Kausalität nachzuweisen, wird (negativer) Kausalitätsgegenbeweis genannt. Sofern die Kausalität ungeklärt bleibt, erfolgt eine Beweislastentscheidung.
Rz. 460
Vom Grundsatz liegt Kausalität i.S.d. § 21 Abs. 2 S. 1 VVG vor, wenn der nicht ordnungsgemäß angezeigte Umstand Einfluss auf den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls bzw. die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers hatte. In diesem Sinne genügt eine Mitursächlichkeit.
Hinweis
Es ist Sache des Versicherungsnehmers hinreichend substantiiert vorzutragen und unter Beweis stellen, dass Vorerkrankungen mit der späteren Berufsunfähigkeit nichts zu tun haben. Der Versicherungsnehmer muss darlegen und beweisen, dass seine Beschwerden für den Eintritt des Versicherungsfalles nicht mitursächlich waren.
Rz. 461
Es ist ausreichend, dass der Versicherer bei Kenntnis der verschwiegenen Umstände den Vertrag nicht zu den gegebenen Bedingungen abgeschlossen hätte. Auch nur indizielle Umstände können insofern mitursächlich sein. Werden stattgefundene medizinische Untersuchungen oder Behandlungen verschwiegen, so beruht auf diesen der Eintritt des Versicherungsfalls nicht unmittelbar. Umstände, die wie Beschwerden oder Krankenhausaufenthalte, lediglich auf eine tatsächliche Erkrankung hinweisen, gelten gleichwohl dann als ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalls, wenn sie eindeutig zur Feststellung eines vertragserheblichen Zustands geführt haben würden und letzterer für den Versicherungsfall ursächlich war. Der Versicherungsnehmer muss in einem solchen Fall den Beweis mangelnder (Mit-)Kausalität führen.
Beispiel
Wird etwa beim Versicherungsnehmers i.R. einer Untersuchung ein stark erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgestellt und erleidet dieser etwa ein Jahr später einen Herzinfarkt, besteht die Vermutung für Mitursächlichkeit.
Rz. 462
Nicht eindeutig geklärt ist, ob es ausreicht, nachzuweisen, dass sich die Gefahr des Eintritts des konkreten Schadens infolge des in Rede stehenden Umstandes nicht erheblich erhöht hat, oder ob bewiesen werden muss, dass der Versicherungsfall definitiv aus einem anderen als dem verschwiegenen oder unrichtig angezeigten Umstand eingetreten ist.
Wichtig
Den Nachweis fehlender Kausalität, also den Kausalitätsgegenbeweis, muss der Versicherungsnehmer erbringen. Lässt sich aus medizinischer Sicht im Prozess (durch Gutachten) nicht feststellen, dass die in Rede stehenden medizinischen Befunde, keinen Einfluss auf den Versicherungsfall hatten, so läuft der Versicherungsnehmer Gefahr, den Prozess nach Beweislastgrundsätzen zu verlieren.