Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
Rz. 494
Die Belehrung des Versicherers über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung muss außerdem inhaltlich zutreffend, umfassend, unmissverständlich und aus Sicht des Versicherungsnehmers eindeutig sein. Es reicht dafür nicht aus, wenn der Versicherer nur seine eigenen Rechte darstellt. Um seiner Warnfunktion zu genügen, muss der Hinweis auch die den Versicherungsnehmer ggf. treffenden Folgen enthalten, die diesem bei einer Ausübung des Rechts des Versicherers drohen. Wenn die Belehrung also nicht auf alle möglichen Folgen der Obliegenheitsverletzungen je nach abgestuftem Verschulden hinweist, ist sie inhaltlich nicht richtig, so dass die gesamte Belehrung keine Gültigkeit hat.
Beispiele
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Der Hinweis im Antrag "Falls Sie die gestellten Fragen falsch oder unvollständig beantworten, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, ihn anfechten, ihn kündigen, ihn anpassen oder die Leistung verweigern …" ist nicht ausreichend, weil er inhaltlich nicht ausreichend auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hinweist. |
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Die in einem Antragsformular enthaltene Belehrung: "Verletzen Sie die vorvertragliche Anzeigepflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig, kann der Versicherer je nach Verschuldungsgrad vom Vertrag zurücktreten, ihn anfechten oder kündigen und gegebenenfalls Leistungen verweigern", ist zumindest missverständlich, da der Eindruck erweckt wird, die dargestellten Rechtsfolgen des Rücktritts, der Anfechtung oder Kündigung bzw. der Verweigerung von Leistungen würden nur bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht eintreten können. Es wird somit der unzutreffende Eindruck vermittelt, die genannten Rechtsfolgen seien von einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht abhängig, während die nur leicht fahrlässige Verletzung folgenlos bleibt. |
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Die Klausel zur Vertragsänderung: "Können wir nicht zurücktreten oder kündigen, weil wir den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Gefahrumstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätten, werden die anderen Bedingungen auf Verlangen Vertragsbestandteil. Haben Sie die Anzeigepflicht fahrlässig verletzt, werden die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil.", ist ausreichend, auch wenn ein ausdrücklicher Hinweis darauf fehlt, dass der Versicherungsschutz auch bei Vertragsanpassung rückwirkend verlorengehen kann. |
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Auch eine "Doppelbelehrung", d.h. eine "Kurzbelehrung" im Versicherungsschein wie folgt: "Die Gesundheitsfragen sind nach bestem Wissen sorgfältig, vollständig und richtig zu beantworten. Eine Verletzung Ihrer vorvertraglichen Anzeigepflicht kann den Versicherer zum Rücktritt oder zur Kündigung berechtigen oder zu einer Vertragsanpassung führen. Bitte beachten Sie hierzu die Ausführungen zur Bedeutung der vorvertraglichen Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 5 VVG unter Ziffer …" ist zulässig bzw. unschädlich, wenn ersichtlich ist, dass die kurze Belehrung nicht abschließend ist, sondern nähere Informationen an anderer, genau bezeichneter Stelle erfolgen. |
Es wird teilweise in der Literatur vertreten, dass selbst die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes nicht ausreicht, weil das Gesetz selbst für rechtskundige Experten zunächst unübersichtlich erscheint und man sich die Rechtsfolgen des komplexen Sanktionssystems des § 19 VVG erst erarbeiten müsse.
Dies dürfte jedoch zu weit gehen. Die Anforderungen an den Inhalt der Belehrung dürfen nicht überspannt werden. Der Wirksamkeit einer Belehrung steht es demgemäß auch nicht entgegen, dass bei der Darstellung der Rechtsfolgen der Vertragsanpassung nicht ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass kein Versicherungsschutz für einen bereits eingetretenen Versicherungsfall besteht, wenn durch Vertragsanpassung rückwirkend ein Risikoausschluss Vertragsbestandteil wird, der ein Risiko betrifft, das sich in dem eingetretenen Versicherungsfall realisiert hat (vgl. zur Frage der Leistungsfreiheit wegen rückwirkendem Risikoausschluss auch Rdn 468).