Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
Rz. 410
Gesundheitsstörungen, Beschwerden und Schmerzen sind bei entsprechender Frage aber selbst dann anzeigepflichtig, wenn sie noch nicht eindeutig einer Krankheit zugeordnet worden sind. Auch darf sich der Versicherungsnehmer bei seinen Angaben weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht beschränken noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigungen verschweigen. Auch eine Verharmlosung darf nicht stattfinden.
Keine Offenbarungspflicht ist nur dann anzunehmen, wenn es sich lediglich um gesundheitliche Beeinträchtigungen handelt, die offenkundig belanglos sind und alsbald wieder vergehen.
Rz. 411
Wird allgemein nach "Krankheiten, Störungen oder Beschwerden" gefragt, so ist die Antragsfrage erkennbar weit gefasst. Wird in dieser Art gefragt, sind lediglich Bagatellen nicht anzugeben, also harmlose gesundheitliche Probleme, die jeden von Zeit zu Zeit plagen, nicht lange anhalten und regelmäßig folgenlos ausheilen, wie Erkältungen, Prellungen, gelegentliche Kopfschmerzen etc. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Ob eine bei Antragstellung anzuzeigende Gesundheitsstörung oder eine nicht anzeigepflichtige Befindlichkeitsstörung vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände zu beurteilen.
Beispiel
Handelt es sich nicht um eine "normale" Erkältung, sondern um eine Bronchitis, die medikamentös behandelt werden musste, liegt keine Bagatelle mehr vor.
Rz. 412
Auch an sich völlig harmlosen Beschwerden, die oft oder lange anhaltend auftreten überschreiten die Bagatellschwelle, insbesondere wenn sie ärztlich behandelt wurden. Auf die Frage nach ärztlichen Behandlungen sind sämtliche Behandlungen durch einen Arzt anzugeben, auch dann, wenn der Anlass für eine Bagatelle gehalten wird. Bei der Frage nach Untersuchungen und Behandlungen sind auch solche anzugeben, die aufgrund einer aktuellen ärztlichen Überweisung erst noch anstehen.
Beispiele
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Verneint der Versicherungsnehmer die Antragsfrage nach Gesundheitsstörungen oder Beschwerden, obwohl ihm wegen Verspannungsschmerzen im Schulter-Nacken-Bereich Massagen, Fangopackungen und Krankengymnastik ärztlich verordnet worden sind, so begründet dies ein Rücktrittsrecht für den Versicherer. |
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Wird im Antragsformular auch nach "Krankheiten, Störungen oder Beschwerden der Nerven (Gemütsstörungen)" gefragt, ist der Antragsteller gehalten anzugeben, dass er sich sechs Tage vor Unterzeichnung des Antragsformulars in fachpsychiatrische Behandlung begeben hat, selbst wenn er zu diesem Zeitpunkt noch keine definitive Kenntnis von der getroffenen Diagnose "reaktive Depression" hatte. |
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Rückenbeschwerden, die nach kurzer Zeit vergehen, müssen nach der Rechtsprechung dann angegeben werden, wenn diese Beschwerden Anlass für ärztliche Untersuchungen oder Behandlungen waren. |
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Auf die Frage nach "(ärztlichen) Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen" in den letzten fünf Jahren sind auch z.B. arbeitgeberseitige Untersuchungen oder Begutachtungen im Rahmen (anderweitiger) rechtlicher Auseinandersetzungen anzugeben, da dies weit zu verstehen ist. |
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Wird allgemein nach "heilkundlicher Behandlung" gefragt, so ist diese Frage weit zu verstehen und auch Kontakte zu Psychologen sind anzugeben. Das Gleiche wird man auch für Heilpraktiker- oder Chiropraktikerbesuche annehmen müssen. |
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Die Frage, ob in den letzten zehn Jahren "Krankheitssymptome an Wirbelsäule, Bandscheiben, Gelenken, Knochen bestehen oder bestanden haben", ist so zu verstehen, dass eine fortdauernde Bewegungseinschränkung der Schulter sowie eine Versteifung des linken Handgelenks auch dann anzugeben sind, wenn der dieser Beeinträchtigung zugrunde liegende Unfall außerhalb des 10-Jahreszeitraums liegt. |