Rz. 16
Ein Versicherungsnehmer, dem die Verletzung einer verkehrsrechtlichen Vorschrift zur Last gelegt wird (z.B. vorsätzliche Trunkenheitsfahrt oder Unfallflucht), hat so lange Deckungsschutz, wie er nicht wegen einer Vorsatztat rechtskräftig verurteilt ist (§§ 4, 3 lit. b ARB 1975 oder § 2 lit. i ARB 2002) und ihm nicht ein Verbrechen (§ 315b StGB!) zur Last gelegt wird.
Rz. 17
Bei Verkehrsstraftaten besteht demnach regelmäßig (zumindest) vorläufiger Deckungsschutz, d.h. der Rechtsschutzversicherer muss den Versicherungsnehmer unverzüglich von allen berechtigterweise gegen ihn geltend gemachten Gebührenforderungen des Anwaltes freistellen.
Rz. 18
Tipp: Vorschuss anfordern
Falls der Versicherungsnehmer wegen eines Vorsatzdeliktes rechtskräftig verurteilt wird, braucht der Versicherer keine Leistungen mehr zu erbringen. Da er aber bis zur rechtskräftigen Verurteilung vorläufigen Deckungsschutz gewähren und deshalb den Versicherungsnehmer von der vom Verteidiger gem. § 9 RVG geforderten Vorschussanforderung freistellen muss, sollte der Anwalt in solchen Fällen schon gleich bei der Mandatsannahme und später entsprechend dem Verfahrensfortgang Vorschüsse fordern, d.h. im Vorverfahren bereits die Gebühr der Nr. 5115 VV-RVG (AG Darmstadt zfs 2006, 169) bzw. nach Einlegung des Einspruchs auch die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens (AG München AGS 2005, 430). Grundsätzlich ist ein Vorschuss in Höhe der Mittelgebühr geschuldet (AG München zfs 2005, 430; AG Stuttgart zfs 2008, 109; AG Saarlouis AGS 2014, 216).
Rz. 19
Den geleisteten Vorschuss kann der Rechtsschutzversicherer auch dann, wenn sein Versicherungsnehmer später wegen einer Vorsatztat verurteilt wird, nur noch von seinem Versicherungsnehmer, nicht aber von dem Anwalt zurückfordern (OLG Hamm zfs 1992, 97; OLG Köln zfs 1992, 98). Das gilt übrigens auch, wenn dem Rechtsschutzversicherer aus anderen Gründen ein Rückforderungsrecht gegen den Versicherungsnehmer zusteht (LG Kiel zfs 2000, 456; LG Mainz zfs 2000, 458).
Rz. 20
Achtung: Verjährung des Rückforderungsanspruches
Die Verjährung des Anspruches auf Rückzahlung einer aufgrund einer Deckungszusage geleisteten Rechtsanwaltsvergütung beginnt, sobald der Rechtsschutzversicherer zuverlässige Kenntnis vom Vorliegen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung hat (AG Zweibrücken zfs 2011, 279).
Rz. 21
Der Rechtsschutzversicherer kann sich gegen die Vorschussanforderung insbesondere nicht mit dem Argument zur Wehr setzen, dass die endgültige Eintrittspflicht noch nicht feststehe (AG Gelsenkirchen NZV 2002, 180). Andernfalls wäre ja auch die von den ARB garantierte vorläufige Deckung nichts wert.
Rz. 22
Achtung: Höhe des Kostenvorschusses
Als Kostenvorschuss kann die doppelte Vorverfahrensgebühr verlangt werden, wobei es auf den Status des Verfahrens zum Zeitpunkt der Kostenvorschussanforderung nicht ankommt (AG Darmstadt DAR 2000, 141).
Rz. 23
Grundsätzlich ist ein Vorschuss in Höhe der jeweiligen Mittelgebühr angemessen (AG Dieburg zfs 2004, 277; AG München zfs 2005, 430; AG Chemnitz AGS 2005, 431).
Nach Einlegung des Einspruches kann der Verteidiger darüber hinaus bereits die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens verlangen (AG München AGS 2005, 430) bzw. im Vorverfahren bereits die Gebühr der VV 5115 (AG Darmstadt zfs 2006, 169).
Rz. 24
Taktik
Eine Vorschussanforderung hilft u.U. auch dem Mandanten. Die Rechtsschutzversicherer verweigern nämlich, sobald ihre Leistungsfreiheit feststeht, grundsätzlich jede weitere Zahlung. Der Gebührenstreit verlagert sich dann auf die Ebene Mandant - Anwalt. Sind die Gebührenforderungen des Anwalts dagegen durch Vorschusszahlungen abgedeckt, müsste der Versicherer die erbrachten Leistungen von seinem Versicherungsnehmer zurückfordern. Da in Regress genommene Versicherungsnehmer fast immer ihren Versicherungsvertrag kündigen, scheuen manche Versicherer - wenn der Vertrag ansonsten wenig belastet wurde - vor einem solchen Schritt zurück und ziehen es vor, im Wege der Einzelfallkulanz auf ihr Rückforderungsrecht zu verzichten.