Rz. 33
Achtung: Subsidiarität
Der Betroffene (Angeklagte), der die Möglichkeit hatte, die Verfahrenskosten gegen die Staatskasse geltend zu machen, hat keinen Anspruch auf deren Übernahme durch den Rechtsschutzversicherer.
Das ist namentlich dann zu beachten, wenn ein Freispruch erfolgt, ohne über die notwendigen Auslagen ausdrücklich zu entscheiden. Von der Tenorierung "auf Kosten der Staatskasse" werden die notwendigen Auslagen des Betroffenen nämlich nicht zwingend mit umfasst (siehe hierzu § 14 Rdn 12-14), weshalb er gegen seinen Rechtsschutzversicherer keinen Kostenerstattungsanspruch hat, sofern er die gerichtliche Entscheidung nicht mit der sofortigen Beschwerde angreift (AG Köln zfs 1997, 430)."
I. Mutwilligkeit bei geringem Bußgeld?
Rz. 34
Die Frage der Mutwilligkeit darf nicht alleine aus einem Vergleich zwischen Geldbuße und den bei der Verteidigung entstehenden Kosten entschieden werden (AG Stuttgart zfs 2004, 36).
II. Sachverständigengutachten
1. Bereits im Ermittlungsverfahren
Rz. 35
Deckungsschutz besteht für bereits im Ermittlungsverfahren vom Verteidiger eingeholte Sachverständigengutachten (§ 2 lit. e ARB; § 5 lit. f ARB). Das gilt auch für den dem Sachverständigen nach Einholung eines weiteren gerichtlichen Gutachtens erteilten Auftrag zur Stellungnahme (AG Saarlouis, Urt. v. 1.12.17 - 28 C 845/16).
Der Sachverständige muss allerdings öffentlich bestellt (AG Köln JurBüro 1992, 23) oder Angehöriger einer rechtsfähigen Sachverständigenorganisation (TÜV, Dekra) sein (§ 5 lit. f ARB).
Die Frage, ob das Gutachten zur Verteidigung erforderlich ist, bestimmt der Verteidiger und nicht der Rechtsschutzversicherer.
Achtung: Kein Weisungsrecht des Versicherers nach § 17 ARB
Viele Versicherer wollen ihrem VN die Beauftragung eines bestimmten Sachverständigenbüros vorschreiben und zahlen dann die durch die Beauftragung eines anderen Sachverständigen entstandenen Mehrkosten mit der Begründung nicht, der VN habe gegen seine in § 17 Abs. 1 ARB normierte Schadensminderungspflicht verstoßen und § 17 Abs. 1 lit. c. bb) S. 4 ARB berechtige den Versicherer zu kostenorientierten Weisungen, die der VN bzw. sein Anwalt zu befolgen hätten.
Das hat der BGH mit Urt. v. 14.8.2019 (zfs 2019, 571) mit der Begründung abgelehnt, diese Klausel sei als intransparent unwirksam. Gleichzeitig hat er auch die Zurechnungsklausel des § 17 Abs. 7 ARB, über die das Verschulden des Anwaltes dem VN zugerechnet werden konnte, als eine - weil unangemessen benachteiligende - unwirksame Klausel eingestuft.
Praxistipp
Das Gericht muss sich mit dem Gutachten auseinandersetzen. Hat der Verteidiger in einem Bußgeldverfahren ein solches Sachverständigengutachten vorgelegt, ist die Beweisaufnahme auch auf die inhaltliche Würdigung des Gutachtens zu erstrecken. Dabei muss das Urteil entweder dessen Inhalt mitteilen oder sich in anderer Form inhaltlich mit dem Gutachten auseinandersetzen. Anderenfalls ist das Urteil auf die Sachrüge hin aufzuheben (OLG Jena DAR 2013, 161).
2. Selbstladung
Rz. 36
Die Kosten der vom Verteidiger nach § 220 StPO geladenen Zeugen und Sachverständigen müssen als Verfahrenskosten vom Rechtsschutzversicherer dann übernommen werden, wenn das Gericht die Vernehmung als sachdienlich erachtet (BGH NStZ 1999, 632), weshalb der Verteidiger in diesen Fällen einen Antrag nach § 220 Abs. 3 StPO stellen muss (zum Selbstladungsrecht siehe § 3 Rdn 23; § 49 Rdn 24 ff.).
Rz. 37
Achtung: Eingeschränkte Ablehnungsmöglichkeit
Ein vom Verteidiger dann gestellter Beweisantrag kann - jedenfalls im Strafrecht - nicht gem. § 244 Abs. 4 StPO abgelehnt werden (BGH NStZ 2008, 109), denn es handelt sich um ein präsentes Beweismittel i.S.d. § 245 StPO. Im Bußgeldverfahren ist zu beachten, dass § 77 Abs. 1 OWiG für die Beweisaufnahme die StPO-Vorschriften und damit auch § 245 StPO verdrängt, weshalb hier eine Pflicht zur Erstreckung der Beweisaufnahme auf sämtliche präsenten Beweismittel nicht besteht (OLG Hamm VRS 57, 35).
III. Ratenzahlungsanträge
Rz. 38
Der Rechtsschutzversicherer muss die dem Anwalt für einen Ratenzahlungsantrag zustehende Gebühr übernehmen, wenn die Geldbuße bzw. Geldstrafe 250 EUR übersteigt und die Verurteilung im Zeitpunkt der Antragstellung rechtskräftig war (§§ 21, 4 lit. c ARB 1975 oder §§ 5, 3 lit. f ARB 2002 der DAS).
Rz. 39
Ein vor der Rechtskraft, z.B. im Hauptverhandlungstermin, gestellter Antrag rechtfertigt dagegen allenfalls eine Erhöhung der Hauptverhandlungsgebühr.
IV. Verwaltungsrecht
Rz. 40
Die ARB 1975 gewähren für verwaltungsrechtliche Angelegenheiten Deckungsschutz nur, wenn ein Verwaltungsakt zugrunde liegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist indessen die Anordnung einer MPU selbst kein Verwaltungsakt, so dass im Falle einer solchen Anordnung noch kein Versicherungsfall vorliegt und für den Widerspruch kein Deckungsschutz besteht. Maßnahmen gegen Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe bzw. Maßnahmen nach dem ab 1.1.1999 geltenden Punktsystem sind dagegen Verwaltungsakte, so dass bereits für den Widerspruch Deckungsschutz besteht.
Rz. 41
Achtung: Fahrerlaubnis-Entzug wegen Erreichens von 8 Punkten
Wendet sich der Versicherungsnehmer allerdings gegen die Entz...