Rz. 75
Der Sachverständige ist Fachmann für ein im Rahmen des Verfahrens sachentscheidendes Gebiet. Er darf im Rahmen seiner Sachkunde Schlussfolgerungen über den ihm unterbreiteten Sachverhalt treffen, den er häufig selbst mit aufbereitet.
Beispiel:
Im Rahmen eines Bauprozesses macht A Mängelrechte gegen einen Werklohnanspruch des Werkunternehmers B geltend. Er behauptet, durch das von B erstellte Dach regne es hindurch, was an einer fehlerhaften Bauausführung des B liege.
Als Beweismittel für die Tatsache, dass es durchregnet, kommen Zeugen in Betracht. "Durchregnen" wäre eine der Wahrnehmung von Zeugen zugängliche Tatsache. Die Frage, ob es durchregnet, kann selbstverständlich auch ein Sachverständiger bezeugen. Er kann darüber hinaus aber auch aus seiner Fachkunde heraus beurteilen, ob die Tatsache, dass es durchregnet, auf eine fehlerhafte Bauausführung des B zurückzuführen ist. Diese Beurteilung trifft er, indem er anhand seiner Sachkunde aus den von ihm vorgefundenen Schäden auf die Ursache schließt.
Wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen Sachverständigem und Zeugen ist also die Möglichkeit des Sachverständigen, Rückschlüsse zu ziehen, die dem Zeugen verwehrt ist.
Rz. 76
Der Sachverständigenbeweis wird durch Bezeichnung der durch den Beweis zu beweisenden Punkte angetreten, § 403 ZPO. Auch hier gilt, dass Ausforschungsbeweise nicht zulässig und daher unbeachtlich sind. Der Sachverständige kann sein Gutachten mündlich erstatten. Es kann aber auch – und das ist der Regelfall – angeordnet werden, dass das Gutachten schriftlich einzureichen ist, § 411 ZPO. In diesem Fall wird der Sachverständige zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens gem. § 411 Abs. 3 ZPO geladen.
Rz. 77
An der Auswahl des Gutachters sind die Parteien gem. § 404 ZPO beteiligt. Grundsätzlich gilt, dass der Gutachter von dem Prozessgericht bestimmt wird, wobei es dabei grundsätzlich zwischen den für den entsprechenden Fachbereich öffentlich bestellten Gutachtern wählen sollte, § 404 Abs. 1 und 2 ZPO. Das Gericht kann jedoch auch die Parteien auffordern, bestimmte Sachverständige zu benennen, eine Möglichkeit, die es insbesondere bei ausgefalleneren Fachrichtungen wählen wird. An eine von den Parteien übereinstimmend getroffene Auswahl eines Gutachters ist das Gericht gebunden, soweit nicht ganz erhebliche Zweifel an der Eignung des Gutachters bestehen. Ist ein Gutachter bestimmt worden, kann dieser wegen des Verdachts der Befangenheit entsprechend den hierzu bestehenden Regelungen abgelehnt werden, § 406 ZPO. Dabei ist zu beachten, dass die Möglichkeit der Ablehnung nach Erstattung des Gutachtens, sei diese mündlich oder schriftlich erfolgt, stark eingeschränkt ist, weil dann der Ablehnende glaubhaft machen muss, dass eine vorherige Ablehnung nicht möglich war, § 406 Abs. 2 ZPO. Über das Ablehnungsgesuch, das glaubhaft zu machen ist, entscheidet das Gericht in einer Art Zwischenverfahren. Wird die Ablehnung zurückgewiesen, ist hiergegen die sofortige Beschwerde zulässig, § 406 Abs. 5 ZPO. Das Gericht kann dem Sachverständigen eine Frist für die schriftliche Gutachtenerstellung setzen und nach Vorliegen des Gutachtens den Parteien Fristen setzen, sich zum Gutachten und ggf. Ergänzungsfragen usw. zu äußern (§ 411 Abs. 1 und Abs. 4 ZPO).