Rz. 156

Das Prozessgericht hat über die Anträge der Parteien vollständig zu befinden. Darüber hinaus hat es über die Kosten des Rechtsstreits und die vorläufige Vollstreckbarkeit zu entscheiden.

 

Rz. 157

Zeigen sich hier Mängel in der Form, dass die Entscheidung des Gerichts den von den Parteien zur Entscheidung gestellten Sach- und Streitstand nicht vollständig erfasst, liegt in der Sache ein – ungewolltes – Teilurteil vor. Die Praxis zeigt solche Fehler besonders häufig bei der Bescheidung von Zinsanträgen, bei der Entscheidung über gesondert ausgewiesene Nebenkosten wie Rechtsanwaltsgebühren oder Mahnkosten und bei den Kosten der Nebenintervention.

 

Rz. 158

 

Hinweis

Das Übergehen einzelner Anträge kann sich unter Umständen auch erst aus einer Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO ergeben, wenn das Gericht zwar die im Tatbestand aufgeführten Anträge beschieden hat, die im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten und im Protokoll aufgeführten Anträge aber nur unvollständig übernommen hat. Insoweit kann die Kombination eines Tatbestandsberichtigungsantrags nach § 320 ZPO und eines Antrags auf Ergänzung des Urteils nach § 321 ZPO erforderlich werden.[135]

 

Rz. 159

Der Gesetzgeber hat sich jedoch dagegen entschieden, diesen gerichtlichen Fehler durch eine von Amts wegen zu veranlassende Schlussentscheidung zu beheben. Stattdessen stellt der Gesetzgeber mit § 321 ZPO ein Instrument zur Ergänzung des ursprünglichen Urteils zur Verfügung, welches jedoch nur auf Antrag[136] einer der Parteien zum Tragen kommt.

[135] Muster eines solchen Antrags unter Rdn 229.
[136] Musterantrag unter Rn 232.

1. Die Voraussetzungen der Urteilsergänzung

 

Rz. 160

Die Urteilsergänzung kommt in einer Vielzahl von Fallkonstellationen, insbesondere bei Nebenanträgen in Betracht, wenn im Tenor:

versehentlich über einen laut Tatbestand erhobenen Haupt- oder Nebenanspruch oder über den Kostenpunkt nicht entschieden worden ist (§ 321 ZPO),

ein Vorbehalt fehlt, den der Beklagte aber benötigt, um seine Rechte im Nachverfahren geltend machen zu können (§ 302 Abs. 2 ZPO und § 599 Abs. 2 ZPO),[137]

 

Hinweis

Das OLG Schleswig ist der Auffassung, dass in dem Fall, dass das angefochtene Urteil der von dem Schuldner erhobenen Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses nicht durch Ausspruch eines entsprechenden Vorbehalts Rechnung getragen hat, die Aufnahme eines solchen Vorbehalts nicht nur im Wege der Urteilsergänzung erreicht werden kann, sondern auch im Wege der Berufung.[138] Dies vermag allerdings nicht zu überzeugen. Hält man § 321 ZPO auf diesen Fall für anwendbar, so ist dies der günstigere und schnellere Weg, so dass es für eine Berufung am Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

über die vorläufige Vollstreckbarkeit oder die Abwendungsbefugnis nicht entschieden worden ist (§ 716 ZPO),[139]
dem Schuldner bei einem Räumungstitel keine angemessene Räumungsfrist gewährt wurde (§ 721 Abs. 1 ZPO),
die Vorbehalte beschränkter Haftung nicht aufgenommen worden sind (§§ 305, 780, 786 ZPO),
das Gericht nicht über die Kosten für die Anrufung eines unzuständigen Gerichts nach § 281 Abs. 3 ZPO entschieden hat,[140]
das Gericht nicht über die Kosten der Säumnis gem. § 344 ZPO gesondert entschieden hat,
das Gericht nicht über die Kosten der Nebenintervention im Sinne von § 101 ZPO entschieden hat,[141] auch dann, wenn das Urteil selbst schon rechtskräftig ist, dem Nebenintervenienten jedoch nie zugestellt wurde[142] und es sich nicht um eine offensichtliche Unrichtigkeit handelt,[143]

das Gericht nicht über die Kosten eines als unzulässig verworfenen Antrags auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens entschieden hat,[144]

 

Hinweis

Wurde die Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention nach § 101 ZPO übergangen, läuft die Frist für die Urteilsergänzung von zwei Wochen erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung des zu ergänzenden Urteils an den Streithelfer.[145] Das Ergänzungsurteil verhält sich zu dem zu ergänzenden Urteil wie ein Schlussurteil zu einem Teilurteil.

nach der Zurückweisung eines Ablehnungsgesuches gegen einen Sachverständigen und der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde eine Kostenentscheidung nicht getroffen wurde,[146]
das erkennende Gericht über einen Anspruch versehentlich nur teilweise entschieden hat,[147]
die Begrenzung der Haftung auf eine gesetzlich vorgesehene Haftungshöchstgrenze fehlt,[148]
die Entscheidung über den Zinsanspruch unterlassen wurde,[149]
das Gericht es unterlassen hat, die Fristsetzung nach § 355 ZPO aufzunehmen,[150]
die Entscheidung über die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 308a ZPO unterlassen wurde,[151]
die Höhe der Abwendungsbefugnis nach § 923 ZPO nicht bestimmt wurde.[152]
 

Rz. 161

In den vorgenannten Fällen ist eine Fehlerkorrektur durch die Berufung nicht möglich, weil es im Hinblick auf die fehlenden Ergänzungen an der erforderlichen Beschwer fehlt und im Hinblick auf die Möglichkeit der Urteilsergänzung einer Berufung allein aus diesem Grunde zunächst auch das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

 

Rz. 162

 

Hinweis

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