Rz. 296
Dem mit dem Vermächtnis beschwerten Erben oder Vermächtnisnehmer können Gegenansprüche gegen den Vermächtnisnehmer zustehen. Dies kann eine Gegenleistung bei einem als Übernahmerecht ausgestalteten Vermächtnis sein, Ansprüche wegen Verwendungen auf den Vermächtnisgegenstand, § 2185 BGB, Ansprüche aus dem Vermächtniskürzungsrecht nach § 2318 BGB oder im Rahmen der Erbenhaftung eine reduzierte Leistungspflicht bei Geltendmachung der Überschwerungseinrede nach § 1992 BGB.
a) Gerichtliche Geltendmachung des Vermächtnisanspruchs vor Annahme der Erbschaft
Rz. 297
Gemäß § 1958 BGB kann eine Nachlassverbindlichkeit vor Annahme der Erbschaft nicht eingeklagt werden; dabei handelt es sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung, die von Amts wegen zu beachten ist. Eine Klage, die dies missachtet, wäre als unzulässig abzuweisen.
Klagepflegschaft:
Auf Antrag eines Nachlassgläubigers hat das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Erbschaft entweder noch nicht angenommen oder der Erbe unbekannt oder ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, § 1961 BGB. Dies korrespondiert mit der Vorschrift des § 1958 BGB, wonach vor der Annahme der Erbschaft eine Klage gegen den Erben als unzulässig abzuweisen wäre. Die Klagepflegschaft dient dazu, diesen Zeitraum für einen Gläubiger, der seinen Anspruch gegen den Nachlass geltend machen will, zu überbrücken. Sollte ein Erbscheinsantrag eines Vollstreckungsgläubigers nach § 792 ZPO keinen Erfolg haben, so könnte er ebenfalls die Anordnung einer Klagepflegschaft beantragen. Besonders hinzuweisen ist darauf, dass auch Vermächtnisnehmer Nachlassgläubiger sind und deshalb eine Klagepflegschaft beantragen können, um ihre Ansprüche geltend zu machen.
Die Regelungen zur Nachlasspflegschaft haben zum 1.1.2023 einige Änderungen erfahren. Es gibt jetzt eine "sonstige Pflegschaft", § 1915 BGB wurde aufgehoben. Zur Lückenausfüllung wird nicht mehr auf das Vormundschaftsrecht, sondern meist auf das Betreuungsrecht verwiesen. An die Stelle des Betreuungsgerichts tritt infolge der entsprechenden Anwendung das Nachlassgericht (§ 1962 BGB). Die Nachlasspflegschaft ist wie bisher eine "Nachlasssache" (§ 342 Abs. 1 Nr. 5 FamFG). Die örtliche Zuständigkeit regelt § 344 Abs. 4 FamFG, die Beteiligten § 7 bzw. § 345 Abs. 4 Nr. 1 FamFG.
b) Rechtsstreit gegen den Erben nach Annahme der Erbschaft
Rz. 298
Will sich der Erbe die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass offen halten, so muss er in das gegen ihn ergehende Urteil einen Vorbehalt gemäß § 780 ZPO aufnehmen lassen. Der entsprechende Antrag auf Aufnahme des Vorbehalts ist spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz zu stellen. Wird während des Rechtsstreits Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz angeordnet, so wird der Prozess unterbrochen (§§ 240, 241 Abs. 3 ZPO, 1984 Abs. 1 S. 3 BGB). Der Nachlassverwalter bzw. Insolvenzverwalter kann den Prozess aufnehmen.
Rz. 299
Kosten des Rechtsstreits: Es entspricht allgemeiner Meinung, dass Kosten eines Rechtsstreits, den der Erbe im Hinblick auf den Nachlass führt, Nachlasserbenschulden sind, und dass deshalb ein Vorbehalt der Beschränkung der Erbenhaftung sich nur auf die Hauptsache, nicht aber auf die Kosten bezieht.
Will der Erbe der persönlichen Haftung wegen der Kosten der gerichtlichen Geltendmachung entgehen, dann bleibt ihm nur der Weg, unter den Voraussetzungen des § 93 ZPO den Anspruch unter Vorbehalt der Beschränkung der Erbenhaftung anzuerkennen.