Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
1. Elektronische Zustellung als Regelzustellungsart – § 173 Abs. 1 ZPO
Rz. 10
Beim Lesen der Vorschrift des § 173 Abs. 1 ZPO stockt man zunächst einmal, da hier von der elektronischen Zustellung elektronischer Dokumente die Rede ist und man sich unweigerlich fragt: Wie werden denn sonst elektronische Dokumente zugestellt, wenn nicht elektronisch? Ein elektronisches Dokument kann aber auch ausgedruckt und in Schriftform gem. § 175 ZPO oder § 176 ZPO zugestellt werden. Auch kommt eine Zustellung eines elektronischen Dokuments als Schriftstück, z.B. gem. § 193 ZPO bei einer Zustellung durch den Gerichtsvollzieher, in Betracht. Der Gesetzgeber wollte weitere inhaltliche Änderungen zur bisherigen Rechtslage nicht vornehmen.
Rz. 11
§ 173 Abs. 1 ZPO regelt, dass ein elektronisches Dokument elektronisch nur auf einem sicheren Übermittlungsweg (z.B. § 130a Abs. 4 ZPO) zugestellt werden kann. Dies bedeutet, dass eine elektronische Zustellung eines elektronischen Dokuments an ein anderes elektronisches Postfach, wie z.B. der in der Vergangenheit häufig genutzte Governikus-Communicator Justiz Edition, nicht zulässig ist.
Rz. 12
Eine derartige Zustellung scheidet aber auch z.B. an ein klassisches Mail-Postfach wie z.B. Outlook, web.de, gmail/googlemail, hotmail, t-online.de etc. ebenfalls aus, unabhängig davon, dass dies auch nicht i.S.d. Gesetzgebers ist, solche Postfächer überhaupt in den elektronischen Rechtsverkehr einzubeziehen, siehe dazu auch zu den zulässigen elektronischen Postfächern im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs in § 4 Abs. 1 ERVV sowie in § 130a Abs. 3 S. 1 Alt. 2 ZPO (sowie die weiteren korrespondierenden Vorschriften in anderen Verfahrensordnungen). Als sicherer Übermittlungsweg gelten das beA, aber auch beN, eBO, De-Mail und beBPo, siehe dazu § 130a Abs. 4 Nr. 1–6 ZPO. Das De-Mail-System ist in der Praxis vielfach gar nicht bekannt; die Telekom – einer von wenigen Anbietern der De-Mail – stellt diesen Dienst im Übrigen zum 1.8.2022 ein.
Rz. 13
Der Gesetzgeber hierzu:
Zitat
"Nur der Versand über den konkret dem Empfänger persönlich zugeordneten sicheren Übermittlungsweg erfüllt die Vorgabe des § 130a Absatz 3, Absatz 4 Nummer 2 ZPO. Absatz 3 Satz 3 regelt die Rücksendung des elektronischen Empfangsbekenntnisses als elektronisches Dokument für den Fall, dass vom Gericht aufgrund technischer Probleme ausnahmsweise kein strukturierter Datensatz übermittelt werden kann."
2. Pflicht zur Eröffnung sicherer Übermittlungswege für bestimmte Kreise – § 173 Abs. 2 ZPO
Rz. 14
Damit ordnungsgemäße Zustellungen von elektronischen Dokumenten auf elektronischem Wege möglich sind, hat der Gesetzgeber für bestimmte Personenkreise in § 173 Abs. 2 ZPO geregelt, dass für diese eine Pflicht zur Eröffnung eines entsprechenden sicheren Übermittlungswegs besteht ("haben zu eröffnen"). Dies sind: Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher sowie Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts.
Rz. 15
Diese Pflicht bestand bereits nach der vom 1.1.2018 bis 31.12.2021 geltenden Fassung des damaligen § 174 Abs. 3 ZPO. Die Pflicht ist für Rechtsanwälte dadurch erfüllt, dass die BRAK federführend allen ins Gesamtverzeichnis eingetragenen Mitgliedern ein entsprechendes beA zur Verfügung stellt, d.h. empfangsbereit freischaltet. Nach § 173 Abs. 2 S. 2 ZPO sollen Steuerberater und sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eröffnen. Für die Steuerberater wird ab 1.1.2023 das beSt (besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach) zur Verfügung stehen, siehe dazu auch Rdn 18 unten. Die sonstigen, in professioneller Eigenschaft am Prozess Beteiligten werden die Möglichkeit haben, über das eBO als sicheren Übermittlungsweg am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen.
Rz. 16
Der Gesetzgeber betont, dass die Verpflichtung zur Vorhaltung eines sicheren Übermittlungswegs und die damit verbundene sog. passive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs ausschließlich die in professioneller Eigenschaft am Verfahren Beteiligten einbeziehen soll. Der Gesetzgeber, der in § 174 Abs. 1 ZPO noch formuliert hatte, dass nur an einen bestimmten Personenkreis "gegen Empfangsbekenntnis" zugestellt werden kann, wollte nun ausdrücklich auch die in professioneller Hinsicht am Zivilprozess beteiligten Personen, Vereinigungen oder Organisationen einbeziehen. Mit dieser etwas geänderten Formulierung in § 173 Abs. 2 ZPO im Gegensatz zu der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung in § 174 Abs. 1 Z...