Rz. 166

Im Hinblick auf den Titel dieses Werks wird nachfolgend lediglich auf das Gesellschafts-beA eingegangen, nicht auf das Gesellschaftspostfach für Steuerberater (siehe § 2 Rdn 70). Zum Gesellschaftspostfach nach § 31b BRAO allgemein siehe auch die Ausführungen hierzu in § 2 Rdn 19 ff.; zu den technischen Problemen im Gesellschafts-beA § 2 Rdn 36 in diesem Werk. Das Zustellungsrecht passte schon lange nicht mehr in die heutige Zeit, da hier nicht ausreichend berücksichtigt ist, dass in der Regel heutzutage häufig nicht mehr nur ein Anwalt oder eine Anwältin Vertreter der Partei ist, sondern vielmehr eine "Kanzlei", d.h. eine Berufsausübungsgesellschaft. So war es dann auch bisher so, dass z.B., wenn eine GmbH Mandatsträgerin war, die Zustellung an den Geschäftsführer der GmbH in Anwendung des § 170 ZPO erfolgte.[101]

 

Rz. 167

Mit der BRAO-Reform zum 1.8.2022[102] wurde ein obligatorisches empfangsbereites beA für Berufsausübungsgesellschaften mit passiver Nutzungspflicht für alle im BRAV eingetragenen (zugelassenen) Gesellschaften, § 31b Abs. 1 S. 1 u. Abs. 5 BRAO eingeführt; das Gesellschafts-beA wird unverzüglich nach Eintragung der Berufsausübungsgesellschaft empfangsbereit eingerichtet, § 21 Abs. 1 S. 2 RAVPV, siehe auch die Ausführungen zum Gesellschafts-beA unter § 2 Rdn 19 ff. in diesem Werk.

 

Rz. 168

Das Gesellschafts-beA wird als "sicherer Übermittlungsweg" ausgestaltet, sodass bei Sendung ohne qeS erkennbar ist, dass ein vertretungsberechtigter Gesellschafter aus dem Gesellschafts-beA sendet, § 31b Abs. 2 BRAO, § 20 Abs. 3 RAVPV, § 21 Abs. 3 RAVPV; das Recht, ohne qeS zu senden, ist bei Berufsausübungsgesellschaft auf nicht vertretungsberechtigte Anwälte nicht übertragbar, § 23 Abs. 3 S. 5 RAVPV; eine Ausnahme hiervon stellen zum 1.8.2022 eEBs dar, § 23 Abs. 3 S. 6 RAVPV, sowie Nachrichten (und damit auch Schriftsätze), § 23 Abs. 3 S. 7 RAVPV. Für den Nachrichtenversand ohne qualifizierte elektronische Signatur, jedoch mit VHN, muss in diesem Fall die Rolle "VHN-Berechtigter" an einen Anwalt, der in der Berufsausübungsgesellschaft tätig ist, vergeben worden sein, siehe dazu auch § 7 Rdn 29 und Rdn 64 in diesem Werk. Zu den technischen Problemen im Gesellschafts-beA, die Probleme der Justiz, den sendenden Anwalt aus dem Transferprotokoll herauslesen zu können, und die Empfehlung von BRAK und DAV v. 29.9.2022, aus dem Gesellschafts-beA mit qualifizierter elektronischer Signatur zu versenden, siehe auch § 2 Rdn 36 in diesem Werk.

 

Rz. 169

 

Beispiel

Die Anton Huber und Franz Schmitz GmbH wird beigeordnet im Wege der PKH; sie ist auch Mandatsträger ("beauty-is-our-duty GmbH ./. Anna van Lipp"). Geschäftsführer u. Gesellschafter sind RA Huber u. RA Schmitz.

Frage:

Muss nun zwingend an das Gesellschafts-beA der Berufsausübungsgesellschaft zugestellt werden oder wäre der Zustellungsversuch auch wirksam, wenn er an RA Anton Huber in sein persönliches beA erfolgt? Anders gefragt: Könnte RA Huber die Abgabe des Empfangsbekenntnisses verweigern, § 14 S. 2 BORA, wenn die Zustellung nicht an das Gesellschafts-beA erfolgt?

Antwort:

Die Frage ist nicht: Sollte er dies tun? Im Rahmen einer geordneten Rechtspflege und einer "ordentlichen" Bearbeitung des Mandats wird er womöglich an der Zustellung mitwirken. Aber muss er auch? Und ggf. im Verhältnis zum Mandanten: Darf er überhaupt?

Das Gesellschafts-beA ist nur ein weiterer sicherer Übermittlungsweg für die vertretungsberechtigten Gesellschafter. Da nur die vertretungsberechtigten Anwälte im Gesellschafts-beA wie "Postfachinhaber im persönlichen beA" agieren können, handelt es sich u.E. nach dann um einen wirksamen Zustellungsversuch, wenn dieser entweder ins Gesellschafts-beA oder aber an das persönliche beA des RA Huber erfolgt. Das Empfangsbekenntnis ist daher abzugeben, wenn die Zustellung ansonsten ordnungsgemäß war, § 14 S. 1 BORA.

 

Rz. 170

 

Tipp

Wenn eine Doppelzustellung (Gesellschafts-beA und persönliches beA) erfolgt, sollte darauf geachtet werden, dass nicht versehentlich zwei eEBs mit unterschiedlichen Daten abgegeben werden. Im Zweifel ist vom frühesten Zeitpunkt der Zustellung auszugehen.[103]

 

Rz. 171

 

Beispiel

An die mandatstragende Anton Huber und Franz Schmitz GmbH ("beauty-is-our-duty GmbH ./. Anna van Lipp") erfolgt ein Zustellungsversuch gegen eEB. Anton Huber (RA, Geschäftsführer u. Gesellschafter) ist der alleinige Sachbearbeiter des Mandats.

Franz Schmitz (RA, Geschäftsführer u. Gesellschafter) geht am Wochenende in die Kanzleiräume (Samstag) und öffnet im Gesellschafts-beA die dort enthaltenen, noch nicht bearbeiteten Posteingänge, u.a. auch in Sachen "beauty-is-our-duty GmbH ./. Anna van Lipp", und nimmt diese zur Kenntnis. Im Nachrichtenjournal ist das Öffnen der Datei mit Datum und Person, die geöffnet hat, verzeichnet. Huber kommt erst vier Tage später wieder in die Kanzlei (Mittwoch).

Frage:

Wer gibt welches Datum der Kenntnisnahme auf dem eEB an?

Antwort:

Da an beide Anwälte ein wirksamer Zustellungsversuch erfolgen kann, ist vom frühesten Zeitpunkt (...

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