Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 82
Zitat
"1. Unterzeichnet ein Rechtsanwalt aus der Kanzlei des mandatierten Wahlverteidigers am letzten Tag der Frist den von einer lediglich unterbevollmächtigten und nur "kooperierenden" Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei in Untervollmacht diktierten und mit Verfahrensrügen versehenen Rechtsbeschwerdebegründung mit dem Zusatz "für RA'in XY, nach Diktat ortsabwesend" bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt an der Gestaltung dieser Rechtsmittelbegründung mitgewirkt und dafür die volle Verantwortung übernommen hat. Damit genügt die Begründung nicht den Anforderungen des § 79 Abs. 3 OWiG, § 345 Abs. 2 StPO." (amtlicher Leitsatz)
Rz. 83
Dass Gerichte manchmal sehr genau hinsehen, hat das OLG Rostock mit seiner obigen Entscheidung gezeigt. So berief sich das OLG Rostock in seinen Entscheidungsgründen, warum es die Unterschrift im obigen Fall für formunwirksam gehalten hatte, auch darauf, dass mehrere Schriftsätze der Vergangenheit bereits nicht vom Verteidiger selbst unterschrieben worden waren:
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Anzeige gegenüber Verwaltungsbehörde "pro abs" |
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von Rechtsanwältin G.-C. |
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Stellungnahme gegenüber der Verwaltungsbehörde sowie auf eine Anfrage des Gerichts jeweils "für den nach den Diktat ortsabwesenden" Rechtsanwalt R durch Rechtsanwalt W |
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Aktenanforderung "für den krankheitsbedingt ortsabwesenden" Rechtsanwalt R (gleichwohl wurde dessen Diktatzeichen verwandt!) |
Rz. 84
Das OLG Rostock ging daher davon aus, dass allenfalls Rechtsanwalt R mit wesentlichen Details des Verfahrens vertraut war und im Übrigen "offenbar jeder in der Kanzlei gerade greifbare Rechtsanwalt bei Bedarf für den oftmals ortsabwesenden Wahlverteidiger die von diesem diktierten Schreiben unterzeichnet", hat, "ohne sich selbst näher mit dem Verfahren zu befassen." Interessant war hier zudem, dass das OLG Rostock zwar einräumte, dass die Rechtsbeschwerdebegründung keinerlei Distanzierungen oder Passagen enthielt, die erkennen ließen, dass die Unterzeichnerin nicht die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen haben wollte, hierdurch aber umgekehrt nicht belegt sei, dass die fremdverfasste Rechtsbeschwerdebegründung tatsächlich vor Unterzeichnung eigenverantwortlich überprüft, für richtig befunden und sich zu eigen gemacht wurde.
Rz. 85
Auch aus dem für das Gericht erkennbaren Ablauf des Verfahrens innerhalb der Kanzlei des Verteidigers sowie aus der Komplexität der Rechtsbeschwerdebegründung waren für das OLG Rostock erhebliche Zweifel an der formwirksamen Unterschrift gegeben. Nach Ansicht des OLG Rostock schien es vielmehr
Zitat
"allgemeiner Usus in dieser Kanzlei zu sein, dass für jeden abwesenden Rechtsanwalt unterschreibt, wer gerade da ist und das selbst für Rechtsanwälte mit eigener Praxis, mit denen lediglich eine Kooperation gepflegt wird."
Rz. 86
Eine Divergenzvorlage an den BGH gem. § 121 Abs. 2 GVG erfolgte durch das OLG Rostock nicht, da es hier im Gegensatz zu den vom Beschwerdeführer vorgetragenen, anders lautenden Entscheidungen eine erhebliche Abweichung im Einzelfall sah.
Rz. 87
Fazit: Die Häufigkeit der Unterzeichnung von Schriftsätzen innerhalb eines Verfahrens durch andere Anwälte als den Verfasser sowie auch angeführte Diktatzeichen können im Einzelfall, wie die Entscheidung des OLG Rostock zeigt, zu einer anwaltsunfreundlichen Rechtsprechung führen!