Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme der vollen Verantwortung für eine fremdverfasste Rechtsbeschwerdebegründung ("für RA XY, nach Diktat ortsabwesend") durch den unterzeichnenden Rechtsanwalt
Leitsatz (amtlich)
Unterzeichnet ein Rechtsanwalt aus der Kanzlei des mandatierten Wahlverteidigers am letzten Tag der Frist den von einer lediglich unterbevollmächtigten und nur "kooperierenden" Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei in Untervollmacht diktierten und mit Verfahrensrügen versehenen Rechtsbeschwerdebegründung mit dem Zusatz "für RA'in XY, nach Diktat ortsabwesend" bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt an der Gestaltung dieser Rechtsmittelbegründung mitgewirkt und dafür die volle Verantwortung übernommen hat. Damit genügt die Begründung nicht den Anforderungen des § 79 Abs. 3 OWiG, § 345 Abs. 2 StPO.
Normenkette
StPO § 345 Abs. 2; OWiG § 79 Abs. 3
Verfahrensgang
AG Stralsund (Entscheidung vom 09.03.2015; Aktenzeichen 546 Js 22591/14 OWi) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Stralsund vom 09.03.2015 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Stralsund verurteilte den Beschwerdeführer am 09.03.2015 wegen zweier fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitungen im Straßenverkehr zu Geldbußen von 110,00 und 120,00 EUR und verhängte gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot. Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete Urteil legte der Betroffene mit Schriftsatz seines Wahlverteidigers, Rechtsanwalt R. in Hamburg, vom 17.03.2015, der am 19.03.2015 beim Amtsgericht einging, unter gleichzeitiger Beantragung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmitteleinlegungsfrist Rechtsbeschwerde ein und kündigte deren nähere Begründung an. Ohne die ihm erst durch Senatsbeschluss vom 28.07.2015 - 21 Ss OWi 122/15 [B] - bewilligte Wiedereinsetzung in die Rechtsmitteleinlegungsfrist abzuwarten, begründete der Betroffene seine Rechtsbeschwerde erstmals mit Schriftsatz der Verteidigung vom 27.04.2015, der am selben Tag zunächst per Fax und am Folgetag auch im Original beim Amtsgericht einging. Dieses Schreiben wurde auf dem Kanzleibogen des Wahlverteidigers H. R. (H. R. & Kollegen, Rechtsanwälte, *) und mit dem offenbar dort vergebenen Diktatzeichen AW-Bs/te) gefertigt und am 27.04.2015 ausweislich der Fax-Absenderkennung auch von einem Gerät aus dieser Kanzlei abgesandt. Unterzeichnet ist das Schreiben von dem dort im Angestelltenverhältnis tätigen Rechtsanwalt S. W. "für Rechtsanwältin A. W., nach Diktat verreist" (Hervorh. durch den Senat). Laut Kopfbogen handelt es sich bei Rechtsanwältin W. um keine Sozia oder ein sonstiges Mitglied der Kanzlei R. & Kollegen, sondern es besteht mit ihr lediglich eine Kooperation (in Kooperation mit ..."). Die Rechtsanwältin hat am 09.03.2015 in Untervollmacht für den Wahlverteidiger an der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Stralsund teilgenommen.
Obwohl damit aus Sicht der Verteidigung bereits eine form- und fristgerechte Rechtsmittelbegründung abgereicht worden war, erfolgte eine solche nach gewährter Wiedereinsetzung durch den Senat nochmals mit Schriftsatz vom 31.08.2015, der sich dadurch auszeichnet, dass er mit Ausnahme dieses Datums und der Form der Unterzeichung in Wort und Layout, auch was den Kopfbogen betrifft, identisch mit demjenigen vom 27.04.2015 ist. Dieses Schreiben wurde abermals von Rechtsanwalt S. W. unterzeichnet, diesmal jedoch mit dem Zusatz "für RAin A. W., nach Dikat ortsabwesend" (Hervorh. durch den Senat) und ist am 31.08.2015 wiederum zunächst nur per Fax vorab (Absenderkennung der Kanzlei R. & Kollegen) und am 01.09.2015 dann auch im Original beim Amtsgericht eingegangen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 14.09.2015 beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen, weil der die beiden Begründungsschriften unterzeichnende Rechtsanwalt W. in beiden Fällen augenscheinlich nur seine Unterschrift unter die von Rechtsanwältin W. diktierte, mithin fremdverfasste Rechtsmittelbegründung gesetzt habe, ohne dafür selbst die volle Verantwortung zu übernehmen. Die Rechtsbeschwerdebegründung genüge damit nach ständiger ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht den Anforderungen des § 79 Abs. 3 OWiG, § 345 Abs. 2 StPO.
Dem ist Rechtsanwalt W. mit Schriftsatz vom 24.09.2015 unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1996, 713), des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13.08.2014 - 2 StR 573/13) und des Oberlandesgerichts Köln (NZV 2006, 321) entgegengetreten. Insbesondere enthalte die Rechtsbeschwerdebegründung keine Passagen, aus denen zu entnehmen sei, dass er sich von deren Inhalt distanziere oder nicht bereit sei, die volle Verantwortung dafür zu übernehmen.
II.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist mangels einer den Anforderungen des § 345 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG genügenden Begründung unzulässig.
Ergänzend zu den dazu gemachten Ausführungen der Generalstaatsa...