Rz. 10

Zitat

"a) Der Schriftzug eines Rechtsanwalts am Ende einer Berufungsschrift erfüllt die Anforderungen an die nach § 130 Nr. 6 ZPO zu leistende Unterschrift nur, wenn er erkennen lässt, dass der Unterzeichner seinen vollen Namen und nicht nur eine Abkürzung hat niederschreiben wollen (st. Rspr.; bspw. BGH, Beschl. v. 28.9.1998 – II ZB 19/98, NJW 1999, 60)."

b) Ist der diesen Anforderungen nicht entsprechende Schriftzug so oder geringfügig abweichend von den Gerichten längere Zeit ohne Beanstandung als formgültige Unterschrift hingenommen worden, kann der Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass er den Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO entspricht. Wird der Schriftzug vom Berufungsgericht in einem solchen Fall nicht als Unterschrift anerkannt, ist dem Berufungskläger in der Regel wegen Versäumung der Berufungsfrist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.“[3]

 

Rz. 11

Zitat

"1. Ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug ist als Unterschrift anzuerkennen, wenn der Schriftzug individuelle und charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt."

2. Ist ein Schriftzug so oder geringfügig abweichend allgemein von den Gerichten über längere Zeit als in sehr verkürzter Weise geleistete Unterschrift unbeanstandet geblieben, darf der Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass die Unterschrift den in der Rechtsprechung anerkannten Anforderungen entspricht.

3. Will das Gericht die über längere Zeit nicht beanstandete Form der Unterschrift nicht mehr hinnehmen, gebietet der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz über den Anspruch auf faire Verfahrensgestaltung hinaus gegenüber dem Rechtsanwalt eine Vorwarnung.“[4]

 

Rz. 12

 

Praxistipp

Schriftsätze sollten grundsätzlich so unterschrieben werden, dass der Name des Unterzeichners gelesen werden kann.

 

Rz. 13

Die Unterschrift des Anwalts muss nach ständiger Rechtsprechung des BGH erkennen lassen,

wer der Unterzeichner ist, um den Unterzeichner unzweifelhaft identifizieren zu können[5] und
dass der Unterzeichner mit seiner Unterschrift den unbedingten Willen zum Ausdruck bringt, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen, er ihn sich sozusagen durch seine Unterschrift "zu eigen" macht.[6]
 

Rz. 14

Der bestimmende Schriftsatz muss durch die Unterschrift vom versehentlich abgesandten Entwurf unterschieden werden können.[7] Dies ist gewährleistet, wenn feststeht, dass die Unterschrift vom Anwalt stammt.[8]

 

Rz. 15

Eine "formelle Unterschrift", die erkennen lässt, dass eine eigenverantwortliche Prüfung vom Unterzeichner nicht vorgenommen wurde und dieser sich vom Inhalt der schriftlichen Erklärung distanziert, ist nicht ausreichend.[9]

 

Rz. 16

Etwaige Zweifel an der Echtheit oder Vollständigkeit der Unterschrift sind im Wege des Freibeweises zu klären.[10]

 

Rz. 17

Kommt es für die Beurteilung der Urheberschaft entscheidend auf das Schriftbild an, ist nach Ansicht des BGH ein Sachverständigengutachten erforderlich, da es dem Gericht in aller Regel an der entsprechenden eigenen Sachkunde fehlen wird.[11]

 

Rz. 18

Ins Schwitzen dürfte ein Anwalt sicherlich dann geraten, wenn ein solches Sachverständigengutachten tatsächlich eingeholt wird und anhand von geleisteten Vergleichsunterschriften der Gutachter prüfen muss, mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die Unterschrift vom Unterzeichnenden selbst geleistet worden ist. In einem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Gutachter jedenfalls diesen mit "wahrscheinlich" bestätigt; das OLG Köln hielt dies nicht für ausreichend und die Unterschrift für formunwirksam. Dieser Auffassung erteilte der BGH eine Absage,[12] da er eine entsprechende Sachkunde des Gerichts in Zweifel zog. Nach Ansicht des BGH ist bei der Bewertung voneinander abweichender Unterschriften ein verhältnismäßig großzügiger Maßstab anzulegen und zu berücksichtigen, dass die Unterschrift einer Person erfahrungsgemäß verschieden ausfallen kann, je nachdem, ob sie unter Zeitdruck oder sonst ungünstigen Verhältnissen oder aber in Ruhe und Sorgfalt geleistet worden ist.[13]

 

Rz. 19

Besonders erfreulich ist, dass der BGH in dieser Entscheidung bei Rechtsanwälten als unabhängi­gen Organen der Rechtspflege aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur gewissenhaften Ausübung ihres Berufs (§§ 1, 43 S. 1 BRAO) und der sich daraus ergebenden Tatsache, dass sie in gesteigertem Maß zu sorgfältigem und rechtlich einwandfreiem Verhalten bei der Unterzeichnung von Schriftsätzen gehalten sind, einen Verdacht der Fälschung oder Beteiligung an einer solchen Tat für fernliegend hält.

 

Rz. 20

Fazit: Bei der Betrachtung der Rechtsprechung zum Thema "Unterschrift" fällt immer wieder auf, dass einigen Gerichten nahezu jedes Mittel recht zu sein scheint, die Echtheit einer Unterschrift in Zweifel zu ziehen. Rechtsanwälte sollten daher bei der Leistung ihrer Unterschrift grundsätzlich immer dieselbe Sorgfalt walten lassen, auch wenn sie in Eile sind. Ein Wiedereinsetzun...

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