Rz. 188
Zusätzliche erbschaftsteuerliche Probleme treten auf, wenn der Erblasser oder der Pflichtteilsberechtigte oder beide entweder nicht die deutsche Staatsangehörigkeit oder weder einen gewöhnlichen Aufenthalt noch ihren Wohnsitz in Deutschland haben. In diesen Fällen stellt sich zunächst die Frage, ob überhaupt ein deutsches Besteuerungsrecht besteht. Diese Probleme sind in § 2 ErbStG geregelt. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG besteht eine uneingeschränkte Steuerpflicht in Deutschland, wenn der Erblasser zur Zeit des Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ein Inländer ist. Ist eine der vorstehenden Voraussetzungen erfüllt, so ist der Erwerb insgesamt dem deutschen Besteuerungsrecht nach dem ErbStG unterworfen. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob Nachlassgegenstände im In- oder Ausland belegen sind.
Rz. 189
Als Inländer gelten gem. § 2 Abs. 1 S. 2 ErbStG natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO) oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) haben, oder deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland über einen Wohnsitz zu verfügen. Besonderheiten gelten für im Ausland ansässige Deutsche, die zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen, vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 Buchst. c Buchst. bb ErbStG.
Rz. 190
Nach den vorstehenden Regelungen unterliegen dem deutschen ErbStG Pflichtteilsansprüche uneingeschränkt, wenn der Erblasser Deutscher ist und einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten hat, ohne im Inland einen Wohnsicht zu haben. In der zweiten Fallkonstellation ist zivilrechtlich im Anwendungsbereich der EuErbVO zu berücksichtigen, dass deutsches Erbrecht anwendbar ist, wenn der Erblasser eine entsprechende Rechtswahl getroffen hat. Der Abkömmling/Ehegatte/Elternteil erwirbt dann unabhängig von seiner eigenen Staatsangehörigkeit einen Pflichtteilsanspruch, wie ihn das deutsche Recht in den §§ 2303 ff. BGB regelt. Gleichzeitig ist das deutsche Besteuerungsrecht uneingeschränkt für den Gesamterwerb gegeben.
Rz. 191
Praxishinweis
Unterliegt jemand als Ausländer dem deutschen Besteuerungsrecht nur deshalb, weil er im Zeitpunkt des Todes eines Elternteils und damit des Erwerbs des Pflichtteilsanspruchs einen ständigen Aufenthalt in Deutschland hat, so lässt sich die deutsche Steuer vermeiden, indem die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs erst erfolgt, nachdem der ständige Aufenthalt oder Wohnsitz in Deutschland aufgegeben wurde. Denn maßgebend für die Besteuerung ist der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer.