Rz. 182
Werden aufgrund eines Vertrages nach § 311b BGB Gegenstände auf ein Geschwisterteil übertragen, bei denen wie bei Grundbesitz Verkehrswert und Steuerwert auseinanderfallen, stellt sich die Frage, ob erbschaftsteuerlich der Verkehrswert oder der Steuerwert, hier die Grundbesitzwerte nach §§ 176 ff. BewG, Anwendung finden.
Rz. 183
Nach den entscheidungserheblichen Erwägungen des BFH gelten die Leistungen des Geschwisterteils an den anderen Geschwisterteil als Leistungen im Hinblick auf zukünftige Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Dies muss auch Ausgangspunkt für die Überlegungen zur Bewertung entsprechender Abfindungsleistungen sein. Wird anstelle der Auszahlung des Pflichtteilsanspruchs ein Grundstück an Erfüllungs statt für einen geltend gemachten Pflichtteilsanspruch hingegeben (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG), so ist trotz Hingabe eines Grundstücks nicht der dafür geltende Grundbesitzwert nach den §§ 176 ff. BewG maßgeblich, sondern der Nominalbetrag des Pflichtteilsanspruchs in Geld, für den das Grundstück hingegeben wurde (vgl. Rdn 82). Erfolgt die Hingabe des Grundstücks jedoch als Gegenleistung und Abfindung für den Verzicht auf einen noch nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruch (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f ErbStG), so richtet sich der Wert der Zuwendung nach dem Grundbesitzwert für das Grundstück nach §§ 176 ff. BewG (vgl. Rdn 82). Die Argumentation des BFH, die auf die Gleichbehandlung mit der Besteuerung im Erbfall abzielt, lässt hinsichtlich der Bewertung kein eindeutiges Ergebnis zu. Je nach Gestaltung der Vereinbarungen nach dem Erbfall ist die Bewertung jeweils unterschiedlich: Einmal ist der Nominalwert des geschuldeten Geldbetrages anzusetzen, ein anderes Mal der Grundbesitzwert. Bewertungsdifferenzen kommen aber seit dem 1.1.2009 nur noch selten vor.
Rz. 184
Maßgeblich muss daher, wie stets im Erbschaftsteuerrecht, das Zivilrecht sein. Wie der BFH zutreffend ausgeführt hat, besteht im Zeitpunkt der Vereinbarung nach § 311b BGB kein Anspruch in Geld. Allenfalls besteht die Möglichkeit, dass später evtl. Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen. Das Grundstück wird daher nicht an Erfüllungs statt für einen bestehenden Geldanspruch hingegeben. Die Vereinbarung der Geschwister nach § 311b BGB begründet vielmehr einen originären Anspruch auf das Grundstück. Aus diesem Grunde sind daher die Grundbesitzwerte nach §§ 176 ff. BewG für die Bewertung des Zuwendungsgegenstands maßgeblich.
Rz. 185
Praxishinweis
Auch beim Erbschaftsvertrag ist es günstiger, niedrig bewertetes Vermögen, wie Grundbesitz, anstelle von Barabfindungen zu vereinbaren.
Rz. 186
Handelt es sich hingegen bei der Abfindung um Betriebsvermögen, so erschien die Anwendung der §§ 13a, 19a ErbStG a.F. zweifelhaft. Nach R 55 ErbStR a.F. sollte der Betriebsvermögensfreibetrag und der dort vorgesehene Bewertungsabschlag nur dann anwendbar sein, wenn sich das Betriebsvermögen bereits im Vermögen des Erblassers befunden hat und vom Erblasser selbst zugewiesen wurde. Nach diesen Grundsätzen konnten die §§ 13a, 19a ErbStG a.F. keine Anwendung finden. Diese Meinung findet jedoch keine Grundlage im Gesetz. Sie ist daher abzulehnen (siehe Rdn 163 ff.). Dies gilt erst recht seit dem 1.1.2009.