Rz. 18

Praktisch jeder Franchise-Vertrag enthält zumindest potentiell wettbewerbsbeschränkende Klauseln. Daher stellt sich die Frage der Vereinbarkeit solcher Klauseln mit dem deutschen (GWB) und/oder europäischen Kartellrecht (AEUV), wenngleich bei vertikalen Vereinbarungen wie Franchisesystemen Wettbewerbsbeschränkungen nicht prinzipiell verboten sind. Nachdem die klassischen kartellrechtlichen Problembereiche wie z.B. Sonderkündigungsrechte oder Marktzuweisungen durch die Schaffung der Gruppenfreistellungsverordnung für Franchise-Vereinbarungen,[30] die zwischenzeitlich durch die Gruppenfreistellungsverordnung für "vertikale Vereinbarungen",[31] ersetzt worden ist, teilweise an Brisanz verloren haben,[32] sind nach wir vor folgende Themenkomplexe zu beachten:

 

Rz. 19

Die Vorgabe von Verkaufspreisen durch den Franchisegeber ist als klassische Preisbindung in jeglicher Form verboten (§ 1 GWB/Art. 101 Abs. 1 AEUV), so dass die entsprechende Klausel im Franchise-Vertrag nichtig ist. Als zulässig anzusehen sind dagegen sog. "Kalkulationshilfen" und "unverbindliche Preisempfehlungen", letztere nur, solange sie nicht gezielt eingesetzt werden, um Druck bezüglich der Preisbindung auf den Franchisenehmer auszuüben (sog. Umgehungspreisempfehlung).[33] Auch Verkaufsförderungsaktionen mit gebundenen Preisen können kartellrechtlich unbedenklich sein, wenn sie nur einen kurzen Zeitraum dauern und ansonsten die Preishoheit des Franchisenehmers nicht spürbar beeinträchtigen.[34]

 

Rz. 20

Regelmäßig stellt sich auch die Frage, ob Franchisegeber verpflichtet sind, sog. Differenzrabatte (Einkaufsvorteile) an ihre Franchisenehmer weiterzugeben. Hintergrund ist dabei das Konzept einer Warenbeschaffung über Rahmenverträge, die den einzelnen Franchisenehmern Rabatte sichern; darüber hinaus erfolgen oftmals jedoch noch weitere "Kick-Back"-Zahlungen (Rabatte, Boni, Rückvergütungen und ähnliche Einkaufsvorteile) an den Franchisegeber, wenn seine Franchisenehmer gewisse Abnahmemengen überschritten. Die "Kick-Backs" werden dabei in der Regel nicht an die Franchisenehmer weitergeleitet; dies unter Hinweis auf eine Regelung in den jeweiligen Franchise-Verträgen. Zwischenzeitlich hat sich die Problematik zu großen Teilen auf die Frage der Offenlegungspflicht von Banken hinsichtlich des Erhalts von Rückvergütungen für die Empfehlung von Finanzprodukten verlagert.[35] Wenngleich sich Rückschlüsse auf Franchise-Verträge grundsätzlich verbieten, empfiehlt es sich, zumindest die Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Bereich im Auge zu behalten, wobei sich die Stimmen mehren, die in der Nicht-Weitergabe von vereinnahmten Einkaufsvorteilen durch den Franchisegeber an den Franchisenehmer weder einen Verstoß gegen gesetzliche Pflichten noch eine unbillige Behinderung des Franchisenehmers sehen.[36] Im Fall von nicht weiterzuleitenden Kick-Backs kann eine Offenlegungspflicht bei Relevanz für die Rentabilitätsberechnung bestehen[37] (vgl. Rdn 22 f.). Ein weiteres Problem in diesem Bereich ist die Frage, ob Werbemaßnahmen des Franchisegebers, durch welche die Franchisenehmer faktisch gezwungen werden, ihre Waren zu den beworbenen Preisen anzubieten, wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen i.S.d. § 1 GWB darstellen können, was zuletzt vom LG München bejaht worden ist.[38]

 

Rz. 21

Die Rechtsprechung war bei der Beurteilung der Frage, ob eine Weitergabe der Rabatte durch den Franchisenehmer geschuldet ist, lange Zeit uneinheitlich. Einzelne Gerichte folgerten aus der allgemeinen Treuepflicht des Franchisegebers auch eine Verpflichtung zur Weitergabe von Differenzrabatten.[39] Nach anderer Auffassung bestand jedenfalls keine vertragliche Verpflichtung zur Weitergabe von derartigen Rabatten.[40] Die divergierenden Entscheidungen machten dabei mehr als deutlich, dass es (auch) in diesem Bereich maßgeblich auf die Ausgestaltung des konkreten Vertragswerks ankam. Inzwischen hat die Rechtsprechung[41] klargestellt, dass ein Anspruch auf Auskehr von Kick-Backs nicht auf gesetzlicher Grundlage, sondern nur bei unmittelbarer oder durch Auslegung zu ermittelnder vertraglicher Vereinbarung besteht.

 

Rz. 22

Da eine Einordnung von Franchise-Verträgen als Allgemeine Geschäftsbedingungen zumindest nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Rdn 49 f.), ist jedoch klar, dass etwaige Unklarheiten jedenfalls zu Lasten des Verwenders – des Franchisegebers – gereichen. Exemplarisch zu nennen ist in diesem Zusammenhang die "Apollo-Entscheidung" des BGH.[42] Im Sinne der "kundenfreundlichsten Klauselauslegung" hat der BGH entschieden, dass eine Klausel, in der sich der Franchisegeber verpflichtet, "sämtliche Einkaufsvorteile an die Franchisenehmer weiterzuleiten", den Franchisegeber verpflichtet, zum einen die Franchisenehmer über die Höhe der ihm gewährten Rabatte und Einkaufsvorteile zu informieren, sowie zum anderen, diese Einkaufsvorteile auch ungeschmälert an die Franchisenehmer weiterzuleiten.[43] Es darf dabei als bemerkenswert gelten, dass der BGH die – einzelfallorientierte – Klausela...

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