A. Typischer Sachverhalt
Rz. 1
Frau A hat ihre Idee des Vertriebs von Lebensmitteln aus Italien zunächst im Rahmen eines kleinen Ladenlokals in Bonn verwirklicht und in den letzten Jahren sukzessive insgesamt fünf Filialen in Köln, Leverkusen, Berlin, Hamburg und München eröffnet. Besonderen Wert hat sie dabei stets auf ein einheitliches Erscheinungsbild ihrer Ladenlokale gelegt und sich in diesem Zusammenhang das von ihr verwendete "Logo" als Wort-Bild-Marke schützen lassen. Sie verfügt über eine zentrale Einkaufsorganisation und bezieht ihre Lieferungen direkt aus Italien. Obschon die Nachfrage nach den von Frau A vertriebenen Waren auch in anderen Städten und Regionen Erfolg versprechend beurteilt wird, sind die finanziellen und organisatorischen Kapazitäten von Frau A nicht darauf ausgerichtet, weitere Filialen in "Eigenregie" zu betreiben. Sie sucht daher nach alternativen Wegen einer weiteren Expansion mit externen Partnern, die zugleich das einheitliche Erscheinungsbild des von Frau A konzipierten Vertriebsmodells gewährleistet. Ein Bekannter von Frau A berichtet ihr, dass ein Freund aus Düsseldorf an einer Zusammenarbeit interessiert sei. Dieser verfüge zwar über ausreichend Startkapital, wolle aber keine eigene Geschäftsidee umsetzen.
B. Rechtliche Grundlagen
I. Allgemeines
Rz. 2
Die Idee des Franchising wurde bereits vor über 100 Jahren in den USA entwickelt. Dort gewährte der Nähmaschinenhersteller "Singer Sewing Machine Company" bereits im Jahre 1860 selbstständigen Hausierern Vertriebsrechte in genau abgegrenzten Vertragsgebieten, die sodann unter der einheitlichen Marke "Singer" ausgeübt wurden. Es folgten weitere Unternehmen wie Coca-Cola, General Motors und Snap on Tools. Nachdem sich Franchising als modernes Konzept des Vertriebs in der Folgezeit zunächst ausschließlich auf dem US-amerikanischen Markt etablierte, trat es zu Beginn der 70er-Jahre an, den Weltmarkt zu erobern. Die heutige Form des Franchising wird auf die Einführung des Franchise-Systems von McDonald’s im Jahr 1955 zurückgeführt. Die Weiterentwicklung bestand darin, die Angebotsorientierung um das Wissen der Geschäftsführung zu erweitern. Das Vertriebskonzept Franchising erfreut sich nicht nur international, sondern auch in Deutschland großer Beliebtheit. Dabei wird es in den verschiedensten Segmenten genutzt. Bekannt dürften vor allem die Bereiche Systemgastronomie (McDonald’s, Burger King, Joey’s Pizza, Subway, Starbucks), Hotelgewerbe (Hilton, Intercontinental, Holiday Inn), Bäckereien (Kamps), Tierbedarf (Fressnapf), Baumärkte (Obi, Bauhaus, Praktiker), Autovermietung (Sixt, InterRent), Optiker (Apollo) und Immobilien (Engel & Völkers) sein. Selbst der Bereich der Rechtsanwaltssozietäten (z.B. Legitas) ist hiervon nicht ausgenommen.
Rz. 3
Der wirtschaftliche Erfolg des Franchising als modernes Vertriebssystem führte sehr bald zu einer Diskussion über die rechtlichen Grundlagen und Grenzen dieses Systems. Unabhängig davon, dass der Franchise-Vertrag als Vertragsform weder im BGB noch im HGB ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, stehen seit jeher Fragen des Wettbewerbs-, Kartell- und Arbeitsrechts im rechtlichen Fokus, die auch im Rahmen dieser Darstellung einen angemessenen Platz erhalten.
II. Rechtsnatur des Franchising
Rz. 4
Bevor man sich den Detailfragen des Franchising zuwenden kann, gilt es zunächst einen näheren Blick auf die Rechtsnatur und die vertragliche Ausgestaltung von Franchiseverhältnissen zu werfen.
Rz. 5
Ausgangspunkt hierfür ist das Konzept des Franchising an sich. Wenngleich sich in Rechtsprechung und Literatur bislang eine einheitliche Definition nicht durchgesetzt hat, gibt es eine Reihe von ähnlichen Definitionsversuchen. Repräsentativ und umfassend dürfte jedenfalls die offizielle Definition des European Franchise Federation (EFF) in seinem Ethikkodex von 2004 sein: "Franchising ist ein Vertriebssystem, durch das Waren und/oder Dienstleistungen und/oder Technologien vermarktet werden. Es gründet sich auf eine enge und fortlaufende Zusammenarbeit rechtlich und finanziell selbstständiger und unabhängiger Unternehmen, den Franchisegeber und seine Franchisenehmer. Der Franchisegeber gewährt seinen Franchisenehmern das Recht und legt ihnen gleichzeitig die Verpflichtung auf, ein Geschäft entsprechend seinem Konzept zu betreiben. Dieses Recht berechtigt und verpflichtet den Franchisenehmer, gegen ein direktes oder indirektes Entgelt im Rahmen und für die Dauer eines schriftlichen, zu diesem Zweck zwischen den Parteien abgeschlossenen Franchise-Vertrages bei laufender technischer und betriebswirtschaftlicher Unterstützung durch den Franchisegeber, den Systemnamen und/oder das Warenzeichen und/oder die Dienstleistungsmarke und/oder andere gewerbliche Schutz- oder Urheberrechte sowie das Know-how, die wirtschaftlichen und technischen Methoden und das Geschäftssystem des Franchisegebers zu nutzen […]."
Rz. 6
Rechtlich betrachtet verpflich...