Rz. 146
Verbleibt eine Immobilie – auch nur vorübergehend – im Eigentum der Erbengemeinschaft, stellt sich die Frage, von wem welche Maßnahmen hinsichtlich der Immobilie vorgenommen werden dürfen und welche Voraussetzungen dabei erfüllt sein müssen. Die Regelungen der §§ 2038 ff. BGB unterscheiden hinsichtlich des Tätigwerdens der Mitglieder der Erbengemeinschaft zwischen Verwaltung und Verfügung.
I. Verwaltung, § 2038 BGB
1. Maßnahmen der Verwaltung
Rz. 147
Der Begriff der "Verwaltung" des Nachlasses ist im BGB nicht definiert. Nach einhelliger Meinung umfasst er alle rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen, die zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung von Nutzungen und Bestreiten der laufenden Verbindlichkeiten des Nachlasses erforderlich oder geeignet sind.
Rz. 148
Keine Maßnahmen der Verwaltung sind solche Maßnahmen, die sich unmittelbar auf den Bestand der Erbengemeinschaft auswirken, etwa die Ausübung des Vorkaufsrechts, § 2034 BGB, oder das Einleiten und Durchführen der Auseinandersetzung nach § 2042 BGB.
Rz. 149
Von der Verwaltungsbefugnis der Erbengemeinschaft ist grundsätzlich auch die in §§ 2033, 2040 BGB geregelte Verfügungsbefugnis der Erbengemeinschaft zu trennen. Die Rechtsprechung und auch Teile der Literatur durchbrechen zunehmend die gesetzlich vorgesehene Trennung von Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, so dass auch Verfügungen zu den Verwaltungsmaßnahmen gehören können (siehe Rdn 179).
2. Arten der Verwaltung
Rz. 150
Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben nach § 2038 Abs. 1 BGB grundsätzlich gemeinsam zu. Von diesem Grundsatz sieht die Regelung des § 2038 BGB zwei Ausnahmen vor: Jeder Miterbe kann allein die Maßnahmen treffen, die zum Erhalt des Nachlasses notwendig sind (notwendige Verwaltung, siehe Rdn 174). Die Maßnahme der ordnungsmäßigen "laufenden" Verwaltung können die Miterben mit einfacher Mehrheit der Stimmen beschließen (ordnungsmäßige Verwaltung, siehe Rdn 156).
Der Grundsatz gemeinschaftlicher einstimmiger Verwaltung gilt somit nur für Maßnahmen der sog. außerordentlichen Verwaltung.
a) Außerordentliche Verwaltung
aa) Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung
Rz. 151
Maßnahmen, die eine wesentliche Veränderung des Nachlasses zur Folge haben, können nur einstimmig von allen Miterben beschlossen werden, § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB (Gemeinschaftsverwaltung). Eine wesentliche Veränderung setzt voraus, dass durch die Verwaltungsmaßnahme die Zweckbestimmung oder die Gestalt des Nachlasses in einschneidender Art und Weise geändert wird.
bb) Einstimmiges Handeln der Miterben
Rz. 152
Erfordern Verwaltungsmaßnahmen ein einstimmiges Handeln, ist ein einstimmiger Beschluss der Miterben im Innenverhältnis und ein einvernehmliches Auftreten der Miterben im Außenverhältnis erforderlich. Ein gleichzeitiges Handeln der Miterben ist dabei nicht erforderlich. Ausreichend sind aufeinanderfolgende Erklärungen der Miterben, die sich zu einer Erklärung ergänzen.
cc) Vertretung
Rz. 153
Die Miterben können sich von einzelnen Miterben vertreten lassen. Übernimmt ein Miterbe über längere Zeit eigenständig Verwaltungshandlungen und nehmen die übrigen Miterben dies hin, kann darin eine stillschweigende Bevollmächtigung liegen.
dd) Eigenmächtiges Handeln eines Miterben
Rz. 154
Ein Verstoß gegen die Pflicht des gemeinschaftlichen Handelns führt zur Unwirksamkeit der Handlung im Innen- und Außenverhältnis. Im Außenverhältnis haftet der Miterbe, der ohne die Vollmacht oder Genehmigung sämtlicher Miterben handelt, nach den §§ 177 ff. BGB.
ee) Keine Mitwirkungspflicht
Rz. 155
Im Rahmen der außerordentlichen Verwaltung besteht keine Mitwirkungspflicht der Miterben. Die Miterben haben keinen Anspruch darauf, dass ein Miterbe einer wesentlichen Veränderung des Nachlasses zustimmt.
Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung können beispielsweise sein:
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die Teilung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks, |
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umfangreiche Instandsetzungsarbeiten, für die eine Kreditaufnahme nötig ist, |
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das Verlangen einer Mieterhöhung, |
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der Neubau eines Hauses, |
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die Anlage eines Parkplatzes auf einem unbebauten Grundstück. |
b) Ordnungsmäßige Verwaltung
aa) Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung
Rz. 156
Sämtliche Maßnahmen, die der Beschaffenheit des Nachlasses und dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entsprechen, können mit der Mehrheit aller Miterben beschlossen werden, § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB. Im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung können einzelne Nachlassgegenstände verändert, verarbeitet, veräußert und umgestaltet werden, sofern der Nachlass...