Rz. 179
Gemäß § 2040 Abs. 1 BGB können Erben über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen. Auch für § 2040 BGB gilt der allgemeine Verfügungsbegriff. Verfügungen sind danach Rechtsgeschäfte, durch welche bestehende Rechte mit unmittelbarer Wirkung aufgehoben, übertragen, belastet oder inhaltlich verändert werden. Erfasst sind alle "Handlungen, die die Substanz des Nachlasses durch Veräußerung oder Belastung von Nachlassgegenständen dinglich verändern".
Das Ausüben von Gestaltungsrechten stellt ebenso wie das Einziehen von Forderungen eine Verfügung dar, nicht aber das Eingehen von Verbindlichkeiten.
1. Verfügungen als Maßnahmen der Verwaltung
Rz. 180
Erfordert die Durchführung einer Verwaltungsmaßnahme eine Verfügung über einen Nachlassgegenstand, kollidieren die § 2038 BGB und § 2040 BGB miteinander. Für die Beschlussfassung in der Erbengemeinschaft und die rechtsgeschäftliche Verpflichtung gilt § 2038 BGB mit der dreistufigen Kompetenzregelung. Für den dinglichen Vollzug ist § 2040 BGB maßgeblich, der grundsätzlich ein gemeinschaftliches Handeln der Miterben vorsieht, jedoch im Bereich der ordnungsmäßigen Verwaltung und der Notverwaltung von der Regelung des § 2038 BGB überlagert wird.
Rz. 181
Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Erbengemeinschaft die Vornahme der Verfügung über Nachlassgegenstände mit Stimmenmehrheit beschließen, wenn die Verfügung zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich ist. Auch Verfügungen über einzelne Nachlassgegenstände können grundsätzlich zu den mitwirkungspflichtigen Verwaltungsmaßnahmen gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB zählen. Der Regelung der § 2038 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB wird nunmehr als vorrangig gegenüber § 2040 BGB angesehen. Verfügungen, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich sind, sollen auch ohne Beachtung des Prinzips der Einstimmigkeit zulässig sein.
Damit hat der BGH seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, wonach § 2040 BGB als lex specialis zu § 2038 BGB anzusehen war, so dass für Verfügungen, die zugleich Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung waren, das Prinzip der Einstimmigkeit und das Erfordernis des gemeinschaftlichen Handelns nach § 2040 BGB galt.
2. Verfügungen über die Nachlassimmobilie
a) Veräußerung einer Nachlassimmobilie
aa) Verkauf einer von mehreren Nachlassimmobilien – Urteil des BGH vom 28.9.2005
Rz. 182
Der Verkauf einer Nachlassimmobilie stellt eine Verfügung i.S.d. § 2040 BGB dar. Nach der Rechtsprechung des BGH sollen Verfügungen durch die Mehrheit der Erben zulässig und mitwirkungspflichtig sein, wenn diese zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind.
Mit seinem Urteil vom 28.9.2005 hat der BGH entschieden, dass zu den mitwirkungspflichtigen Verwaltungsmaßnahmen gemäß § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB auch grundsätzlich Verfügungen über einzelne Nachlassgegenstände zählen. Dabei müsse neben der Ordnungsmäßigkeit die Erforderlichkeit einer solchen Verwaltungsmaßnahme durch besondere Umstände belegt sein, um eine Mitwirkungspflicht zu begründen. Was diese "besonderen Umstände" sind oder sein können, lässt der BGH in seiner Entscheidung offen. Mit dem Widerspruch seiner Auffassung zur Regelung des § 2040 BGB hat sich der BGH nur unzureichend auseinandergesetzt (Einzelheiten hierzu siehe § 4 Rdn 80 f.).
Rz. 183
Unter den Begriff der gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses i.S.d. § 2038 Abs. 1 BGB fallen nach dem BGH unter Verweis auf seine frühere Rechtsprechung alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzungen und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten.
Rz. 184
Eine Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung liegt vor, wenn der Nachlass als solches durch die Verfügung über die Immobilie keine wesentliche Veränderung erfährt. Der BGH stellt in seinem Urteil klar, dass für die Wesentlichkeit der Veränderung auf den gesamten Nachlass und nicht auf einzelne Nachlassgegenstände abzustellen sei. Eine wesentliche Veränderung des Nachlasses setze voraus, dass durch die Verwaltungsmaßnahme die Zweckbestimmung oder Gestalt des Nachlasses in einschneidender Weise geändert werden würde. Eine wesentliche Veränderung des Nachlasses durch den Verkauf einer von mehreren Nachlassimmobilien hat der BGH verneint. Mit dem Verkauf eines Grundstücks wäre im Wege der dinglichen Surrogation der Verkaufserlös an die Stelle der Immobilie getreten, der Verkauf hätte nur die Zusammensetzung verändert, ohne den Substanzwert des Nachlasses zu mindern. Der BGH führt aus:
Zitat
"Vor diesem Hintergrund stellt sich die geplante Veräußerung eines von mehreren Nachlassgrundstücken als bloße Umstrukturierung des Gesamtnachlasses dar, mit der lediglich das urspr...