Rz. 8
Gehört eine Immobilie zum Nachlass, tritt die Erbengemeinschaft im Zeitpunkt des Erbfalls in alle Rechte und Pflichten ein, die sich aus dem Eigentum an der Immobilie ergeben.
1. Gefahr, Haftung und Verkehrssicherungspflichten
Rz. 9
Mit dem Erbfall gehen die Gefahr, die Haftung und die mit dem Eigentum an der Immobilie einhergehenden Verkehrssicherungspflichten auf die Erbengemeinschaft als Eigentümer über. Der Erbengemeinschaft obliegen insbesondere die Räumungs- und Streupflichten. Ist die zum Nachlass gehörende Immobilie vermietet, beziehen sich die gegenüber dem Mieter bestehenden Verkehrssicherungspflichten nicht nur auf die Mietsache selbst, sondern auch auf Zugänge, Treppen, Hausflur, Hofraum, Garten, Aufzug, Zufahrt, Kfz-Stellplatz, die Beleuchtung und das Trinkwasser.
2. Lasten und Kosten
Rz. 10
Die Erbengemeinschaft hat ab dem Erbfall die mit dem Eigentum an der Immobilie einhergehenden Lasten und Kosten zu tragen. Lasten der Immobilie sind die auf der Immobilie liegenden Verpflichtungen zu Leistungen, die aus der Immobilie zu entrichten sind und die den Nutzwert mindern. Zu den Lasten einer Immobilie gehören beispielsweise Straßenanlieger-, Kanalisations-, Müllabfuhr-, Schornsteinfegergebühren oder -beiträge, Brandversicherungsbeiträge, Grundsteuer.
Rz. 11
Auch öffentliche Lasten, wie Erschließungs- und Anliegerbeiträge, hat ab dem Erbfall die Erbengemeinschaft zu tragen. Das gilt sowohl für bereits vor dem Erbfall entstandene und fällig gewordene sowie künftige Beiträge.
Ist im Grundbuch der Immobilie eine Grundschuld oder eine Hypothek eingetragen, ist die Erbengemeinschaft zur Zahlung etwaiger Grundschuld- und Hypothekenzinsen verpflichtet.
Auch die Prämien für eine vom Erblasser geschlossene Gebäude- und Feuerversicherung hat die Erbengemeinschaft ab dem Erbfall zu tragen.
Rz. 12
Neben den Lasten hat die Erbengemeinschaft die für die Immobilie anfallenden Kosten aus den privatrechtlichen Verpflichtungen des Erblassers zu zahlen. Hierzu gehören insbesondere die Kosten für Strom, Wasser und Heizung sowie die Kosten für Internet- und Telefonanschluss.
Hatte der Erblasser eine Hausratversicherung abgeschlossen, geht auch die Pflicht zur Zahlung der Versicherungsbeiträge auf die Erbengemeinschaft über.
Hatte der Erblasser für die Immobilie ein Darlehen geschlossen, ist die Erbengemeinschaft verpflichtet, die Darlehensraten zu zahlen.
Gehört eine Eigentumswohnung zum Nachlass, hat die Erbengemeinschaft das Wohngeld zu zahlen.
3. Mietverhältnisse
Rz. 13
War die zum Nachlass gehörende Immobilie im Zeitpunkt des Erbfalls vermietet, tritt die Erbengemeinschaft in die Rechtsposition des Erblassers als Vermieter ein, §§ 1922, 2032 BGB. Der Mietvertrag besteht mit den Erben als gesamthänderisch gebundene Personenmehrheit fort, da die Erbengemeinschaft nicht rechtsfähig ist.
Rz. 14
Mit dem Eintritt in die Rechte und Pflichten des Vermieters haben die Mitglieder der Erbengemeinschaft dem Mieter den Gebrauch des Mietobjekts zu gewähren, sie haben die Immobilie zu unterhalten und instand zu setzen und die Nebenkostenabrechnung zu erstellen. Hinsichtlich der Pflichten aus dem Mietvertrag haften die Mitglieder der Erbengemeinschaft dem Mieter gegenüber als Gesamtschuldner.
Rz. 15
Die Mitglieder der Erbengemeinschaft sind berechtigt und verpflichtet, die Mietforderung einzuziehen. Dabei obliegt es den Mitgliedern der Erbengemeinschaft, gegenüber dem Mieter zunächst ihren Eintritt in die Vermieterposition mitzuteilen und nachzuweisen (siehe auch § 20 Rdn 16). Sodann kann jeder Miterbe nach § 2039 BGB vom Mieter die Zahlung der ungeteilten Miete an die Erbengemeinschaft verlangen. Es besteht kein Anspruch des einzelnen Miterben gegen den Mieter auf Zahlung eines seiner Erbquote entsprechenden Anteils der Miete. Die Erbengemeinschaft kann jedoch einen Miterben durch Mehrheitsbeschluss zur Entgegennahme der Leistung ermächtigen.
Rz. 16
Der Erbfall begründet für die Erbengemeinschaft kein Sonderkündigungsrecht. Beabsichtigt die Erbengemeinschaft die Beendigung eines Mietverhältnisses, muss sie die Vorschriften des Mietrechts beachten und kann beispielsweise bei Wohnraummiete eine Kündigung nur dann aussprechen, wenn ein hinreichender Grund besteht. So kommt in Betracht, dass die Erbengemeinschaft den Wohnraummietvertrag wegen Eigenbedarf eines Miterben nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB (siehe hierzu § 20 Rdn 93) oder im Rahmen einer sog. Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB (siehe hierzu § 20 Rdn 97) beendet.