Rz. 130
Für Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, begründet Art. 7 Nr. 3 EuGVVO die Zuständigkeit auch des Gerichts des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Hierunter fallen nach Ansicht des EuGH sämtliche nicht an einen Vertrag i.S.v. Art. 7 Nr. 1 EuGVVO anknüpfenden Klagen, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird. Daraus ergibt sich ein sehr weitgehender Anwendungsbereich dieser Zuständigkeit.
Lehrreich ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des OLG Köln vom 14.5.2004. Es ging dort um die Klage des Gläubigers einer insolventen deutschen AG gegen die jeweils in Österreich und der Schweiz lebenden Gründungsgesellschafter aus dem Gesichtspunkt der Durchgriffshaftung wegen materieller Unterkapitalisierung. Das Gericht führt dort aus, dass nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a.F./LugÜ eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitglieds- bzw. Vertragsstaats hat, abweichend von der allgemeinen Regel des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO a.F. vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, verklagt werden könne, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der EuGH legt dabei den Begriff der unerlaubten Handlung autonom und sehr weit aus. Darunter sei jegliche Schadenshaftung zu verstehen, die nicht aus einem Vertrag i.S.v. Art. 5 Nr. 1 EuGVVO a.F. herrühre. Dies gelte auch für eine Haftung wegen sittenwidriger Schädigung der Gläubigerinteressen aufgrund einer krassen Unterkapitalisierung. Diese Ansprüche seien zumindest "auch" deliktsrechtlich zu qualifizieren mit der Folge, dass die Anwendungsbereiche der Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a.F. bzw. Art. 5 Nr. 3 LugÜ insoweit eröffnet seien. Gerichtsstandsbestimmend sei nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a.F. bzw. Art. 5 Nr. 3 LugÜ wahlweise sowohl der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsort), als auch der Ort des dem Schaden zugrunde liegenden ursächlichen Geschehens, also der Handlungsort. Der in Betracht kommende Haftungsgrund besteht darin, dass die AG möglicherweise sittenwidrig den Rechtsschein einer funktionsfähigen Wirtschaftseinheit seit Übernahme der Aktien erweckt habe. Die maßgeblichen Handlungen seien daher am Sitz der Gesellschaft in Deutschland vorgenommen worden.
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Die gleichen Argumente wird man auch für eine Zuständigkeit der Gerichte für Ansprüche gegen die Gesellschafter aus Existenzvernichtungshaftung verwenden können.