Rz. 41
Hat der Arbeitgeber entgegen § 74a S. 1 HGB kein berechtigtes Interesse an dem Wettbewerbsverbot, ist dieses insoweit unverbindlich, als es nicht zum Schutz eines berechtigten Interesses dient. Die Unverbindlichkeit knüpft an den Schutzzweck der §§ 74 ff. HGB an. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht, wenn das Wettbewerbsverbot entweder dem Schutz von Betriebsgeheimnissen dient oder den Einbruch eines ausgeschiedenen Mitarbeiters in den Kunden- und Lieferantenkreis unter Ausnutzung besonderer Kenntnisse oder persönlicher Kontakte verhindern soll. Der Arbeitgeber soll durch die Möglichkeit eines Wettbewerbsverbotes nur vor solchen geschäftlichen Nachteilen geschützt werden, die sich bei einer späteren Konkurrenztätigkeit ergeben könnten. Die Möglichkeit, den Arbeitnehmer aus anderen Gründen in der weiteren Berufsausübung zu knebeln, soll nicht eröffnet sein.
Rz. 42
Die legitime Reichweite des Wettbewerbsverbotes ist im Laufe eines Vertragsverhältnisses dynamisch und steht regelmäßig erst mit dem Ende des Vertragsverhältnisses fest, da sie auch von den erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers abhängig ist. Für die Beurteilung des mangelnden Interesses kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Partei hierauf beruft. Das berechtigte Interesse muss somit während der gesamten Dauer des Wettbewerbsverbots vorliegen. Um ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers abzubilden, muss ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen der bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers und dem Inhalt des Verbotes bestehen. Es muss aus dem Verbot deutlich werden, dass dem Arbeitnehmer eine zeitnahe Verwertung der beim Arbeitgeber erworbenen Kenntnisse und Kontakte verboten wird. Dabei muss es sich um ein eigenes Interesse des Arbeitgebers handeln; es besteht somit nicht die Möglichkeit, ein Wettbewerbsverbot zugunsten eines Dritten zu verabreden.
Rz. 43
Als problematisch kann sich dies im Konzernverbund herausstellen. Dabei scheint Einigkeit zu bestehen, dass der Begriff des Arbeitgebers insoweit über den reinen Vertragspartner hinausgehen kann. Wenn der Arbeitgeber ein Interesse an der Verhinderung eines Wettbewerbes zugunsten von anderen Unternehmen hat, die aber in seinem Eigentum stehen, ist ein berechtigtes Interesse (auch) des Vertragsarbeitgebers gegeben. Ein entsprechendes Interesse ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zuvor in wettbewerbsrelevanter Weise auch für die Konzernunternehmen tätig war und eine enge, strukturell verfestigte Verbindung zwischen beiden Unternehmen besteht.
Rz. 44
Liegt kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers im Sinne § 74a HGB vor, ist das Wettbewerbsverbot "insoweit" unverbindlich. Es wird aufgrund der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls auf das erlaubte Maß zurückgeführt. An den wirksamen Teil des Wettbewerbsverbotes ist der Arbeitnehmer stets gebunden. Insofern gilt der Grundsatz einer geltungserhaltenden Reduktion aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung. Für den Anspruch auf Karenzentschädigung ist lediglich Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer sich an den verbindlichen Teil des Wettbewerbsverbotes hält. Ist dies der Fall, besteht der Anspruch auf Karenzentschädigung ohne Weiteres. Die Ausübung eines Wahlrechts ist nicht erforderlich.
Rz. 45
Die Rechtsfolge der teilweisen Unverbindlichkeit kann im Falle des mangelnden Interesses des Arbeitgebers nicht durch Zahlung einer höheren Karenzentschädigung als der gesetzlich vorgesehenen kompensiert werden.