aa) Grundsätzliches
Rz. 190
Im Zusammenhang mit einem möglichen Anspruch auf eine Invaliditätsleistung ist formell die Einhaltung von drei Fristen zu beachten. Diese sind:
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Eintrittsfrist (bisher Jahresfrist) Die Invalidität muss innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eingetreten sein. |
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Ärztliche Feststellung Innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall muss ein Arzt die Invalidität festgestellt haben. |
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Geltendmachung des Invaliditätsanspruchs Innerhalb von 15 Monaten muss die Invalidität beim VR geltend gemacht worden sein. |
Hinweis
Diese grundsätzliche Fristenstruktur mit drei Fristen liegt standardmäßig allen AUB zugrunde. Viele VR bieten geänderte Fristen an mit sehr unterschiedlichen Kombinationen. Die gültigen Bedingungen sind somit stets auf die konkret vereinbarten Fristen hin zu prüfen.
Rz. 191
Galt die Fristenregelung in den AUB 94/88/61 stets als transparent, war dies hinsichtlich der AUB 2008/99 teilweise umstritten. Der BGH sieht die Regelung zu Recht als den Anforderungen an das Transparenzgebot genügend an. Insoweit ist die Fristenregelung in den AUB 2020/2014 auch als transparent anzusehen.
bb) Eintrittsfrist und Frist zur ärztlichen Feststellung (Ziff. 2.1.1.2)
Rz. 192
Die AUB 2020/2014 fassen die beiden Fristen zusammen und legen für beide den Zeitpunkt 15 Monate nach dem Unfalltag fest. Es handelt sich bei beiden Fristen um objektive Anspruchsvoraussetzungen, nicht um entschuldbare Anmeldefristen. Die eine Frist benennt den Zeitpunkt für den Eintritt der Invalidität (Eintrittsfrist), die andere den Zeitpunkt für die ärztliche Feststellung (Frist zur ärztlichen Feststellung).
Rz. 193
Die Eintrittsfrist betrug in früheren Bedingungsgenerationen zwölf Monate, man sprach auch von Jahresfrist. Die Invalidität muss nun mit den AUB 2020/2014 innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eingetreten sein. Nicht erforderlich ist, dass die konkrete Höhe schon abschließend festgestellt werden kann, es muss nur zu einer Invalidität in irgendeinem Umfang gekommen sein. Tritt innerhalb der Eintrittsfrist keine Invalidität ein, so besteht kein Anspruch auf eine Invaliditätsleistung.
Rz. 194
Innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall muss ein Arzt die Invalidität positiv festgestellt haben. Die ärztliche Feststellung der Invalidität muss schriftlich erfolgen, braucht aber nicht richtig zu sein. Dies gilt aber nur dergestalt, dass eine vom Behandler positiv festgestellte Invalidität sich im Rahmen der anschließenden Begutachtung als nicht existent oder unfallfremd erweist. Dies folgt aus der Vorgabe, dass der Arzt eine verbindliche Aussage treffen muss, so dass es nicht ausreichend ist, wenn das Vorliegen eines Dauerschadens als nur "möglicherweise", "eventuell", "zur Zeit" oder "erst nach einer Begutachtung zu klären" bescheinigt wird. Eine Aussage zur Höhe des Dauerschadens ist entbehrlich.
Inhalt der Invaliditätsfeststellung werden nur die ärztlich festgestellten und dem VR gegenüber angezeigten Dauerschäden. Eine nicht positiv festgestellte Beeinträchtigung braucht daher nicht weiter vom VR geprüft zu werden.
Hinweis
Wurde fehlerhaft eine unfallbedingte Gesundheitsschädigung und/oder der Kausalzusammenhang verneint, dann ist dies kein "erlaubter" Fehler, der im Rahmen der Invaliditätsprüfung behoben werden kann, sondern es fehlt die (fristgerechte) ärztliche Feststellung und damit besteht kein Leistungsanspruch.
Rz. 195
Die ärztliche Feststellung muss darlegen:
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einen Dauerschaden (prognostisch), |
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die unfallbedingte Gesundheitsschädigung der VP und |
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einen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsschädigung. |
cc) Frist zur Geltendmachung (Ziff. 2.1.1.3)
Rz. 196
Innerhalb von 15 Monaten muss die Invalidität beim VR geltend gemacht worden sein. Es handelt sich bei dieser Frist um eine Ausschlussfrist, so dass dem VN grundsätzlich eine Exkulpation möglich ist.
Die Geltendmachung des Invaliditätsanspruchs beim VR ist eine Willenserklärung, die erst mit Zugang beim VR wirksam wird, § 130 BGB. Hierfür trägt der VN die Beweislast. Es muss bei der Geltendmachung einer Invaliditätsleistung der Eintritt der unfallbedingten Invalidität behauptet und ein Zahlungsanspruch angemeldet werden. Es genügt, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass der VN eine Invaliditätsleistung beansprucht.
Rz. 197
In den AUB 2020/2014 findet sich ein Hinweis auf die Möglichkeit der Entschuldigung der Fristversäumnis (Exkulpation). Die wurde bisher bereits so angenommen, wenn der VN die Frist zur Geltendmachung des Invaliditätsanspruchs unverschuldet versäumt hat. D...