Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 353
Die Einwendungen dürfen nicht nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sein, soweit die Vorschrift zur Anwendung kommt. Ob und inwieweit die Präklusionsvorschrift zur Anwendung kommt, hängt von der Art des der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Titels ab.
Rz. 354
Nach § 767 Abs. 2 ZPO ist der Schuldner bei Urteilen mit den materiell-rechtlichen Einwendungen ausgeschlossen, die er bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung noch hätte vorbringen können.
Rz. 355
Handelt es sich um ein Versäumnisurteil, wird nach § 767 Abs. 2 ZPO der Zeitpunkt hinausgeschoben. Der Schuldner ist dann auch mit den Einwendungen ausgeschlossen, die er nach der letzten mündlichen Verhandlung oder nach dem Erlass des Versäumnisurteils noch mit einem Einspruch hätte geltend machen können.
Rz. 356
Ist das Urteil im schriftlichen Verfahren ergangen, so hat das Gericht nach § 128 ZPO den Zeitpunkt zu bestimmen, bis zu dem noch tatsächlich vorgetragen werden kann. Dieser Zeitpunkt ersetzt dann die mündliche Verhandlung und ist im Sinne von § 767 Abs. 2 ZPO maßgeblich.
Rz. 357
Ist das Urteil nach Lage der Akten gemäß § 251a ZPO ergangen, so ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung entscheidend, in der eine oder beide Parteien nicht erschienen sind.
Rz. 358
Bei Vorbehaltsurteilen nach §§ 302 bzw. 599 ZPO ist die letzte mündliche Verhandlung im Nachverfahren entscheidend, soweit in diesem die materiell-rechtliche Einwendung hätte vorgebracht werden dürfen.
Rz. 359
Soll gegen einen zur Insolvenztabelle festgestellten Anspruch im Wege der Vollstreckungsgegenklage vorgegangen werden, ist der Präklusionszeitpunkt die Feststellung.
Rz. 360
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn zunächst ein Grundurteil und erst später ein Urteil zur Höhe ergehen. Für Einwendungen, die den Grund betreffen, ist die letzte mündliche Verhandlung entscheidend, in der Einwendungen gegen den Haftungsgrund geltend gemacht werden konnten, für Einwendungen gegen die Höhe die letzte mündliche Verhandlung zu dieser Frage.
Rz. 361
Die Rechtsprechung ist in der Anwendung der Präklusionsvorschrift sehr streng. Entscheidend ist allein, dass die Einwendung vor der letzten mündlichen Verhandlung oder dem jeweils bezeichneten Ersatztermin objektiv entstanden ist und damit objektiv hätte geltend gemacht werden können. Darauf, ob und inwieweit der Schuldner tatsächlich von der Einwendung Kenntnis hatte oder, ob und inwieweit die Unkenntnis schuldhaft ist, soll es nicht ankommen. Das gilt auch dann, wenn die Unkenntnis des Gläubigers von einer berechtigten Einwendung – etwa von einer Erfüllungshandlung des Schuldners – auf der nachlässigen Prozessführung des Schuldners beruht.
Rz. 362
Hinweis
Eine Klage des Mieters auf Rückzahlung von Vorauszahlungen, die mangels Erteilung der fälligen Betriebskostenabrechnung Erfolg hat, ist lediglich "zurzeit begründet", sodass der Vermieter auch noch nach Rechtskraft dieser Entscheidung mit einer Abrechnung die Voraussetzung für die Fälligkeit der Betriebskostenabrechnung schaffen und den Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Vorauszahlungen damit nachträglich zu Fall bringen kann. In diesem Fall greift § 767 Abs. 2 ZPO also nicht.
Rz. 363
Bei Vollstreckungsbescheiden kommt über §§ 794 Abs. 1 Nr. 4, 795 ZPO die Präklusionsvorschrift des § 796 Abs. 2 ZPO zur Anwendung. Danach sind nur die Einwendungen zu berücksichtigen, die nach der Zustellung des Vollstreckungsbescheides entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden konnten.
Rz. 364
Hinsichtlich anderer gerichtlicher Entscheidungen, also der vollstreckbaren Beschlüsse nach § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, kommt § 767 Abs. 2 ZPO über § 795 ZPO ebenfalls zur Anwendung. Mangels mündlicher Verhandlung ist hier auf den Zeitpunkt abzustellen, bis zu dem im Verfahren noch Einwendungen hätten geltend gemacht werden können.
Rz. 365
Achtung
Ein besonderes Augenmerk muss bei Gestaltungsrechten auf die Frage der Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO gelegt werden. Bei Anfechtung, Aufrechnung, Wandlung, Rücktritt, Widerruf und Kündigung stellt der BGH für die Beurteilung der Präklusion nicht auf die tatsächliche Ausübung des Gestaltungsrechtes ab, sondern auf den Zeitpunkt, in dem objektiv erstmals die Ausübung des Gestaltungsrechtes möglich gewesen wäre. Die Angriffe in der Literatur, dass die Rechtsprechung damit in das materiell-rechtliche Gestaltungsrecht des Berechtigten eingreife, hat die Rechtsprechung bisher nicht überzeugt. Dem materiellen Recht werden hier prozessuale Grenzen gesetzt.
Nicht präkludiert ist der Schuldner mit einer Aufrechnung, wenn er die aufzurechnende Forderung erst nachträglich erworben hat, sie erst nachträglich fällig geworden ist, oder erst nachträglich eine Voraussetzung für ihre Geltendmachung geschaffen wurde.
Rz. 366
Für vollstreckbare notarielle Urkunden im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO greift die Präklusionsvorschrift nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 797 Abs. 4 ZPO nicht. Hier sind all...