Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnungslage bei Vollstreckungsabwehrklage
Leitsatz (amtlich)
War im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine Aufrechnungslage nicht gegeben, kann der auf die Aufrechnung gestützte Einwand der Erfüllung nicht deshalb gem. § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sein, weil die Aufrechnungslage hätte geschaffen werden können.
Normenkette
ZPO § 767 Abs. 2; BGB § 633 Abs. 3 a.F.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Braunschweig v. 27.11.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten im Wege der verlängerten Vollstreckungsabwehrklage in Anspruch.
Mit Urteil des LG B. v. 24.7.1997 wurde die Klägerin zur Zahlung von Restwerklohn an den Beklagten zu 2) verurteilt; im Vertrag war die VOB/B vereinbart. Die Klägerin nahm ihre Berufung vor der mündlichen Verhandlung zurück. Nach Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage Ende März 1999 trat der Beklagte zu 2) im April 1999 die Ansprüche aus dem Urteil des LG B. v. 24.7.1997 an den Beklagten zu 1) ab.
Die Klägerin hat 131 Mängel an fünf Teilobjekten behauptet, die ihr erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses bekannt geworden seien. Sie habe dem Beklagten zu 2) nach Kenntnis von den Mängeln im Herbst 1998 Anfang Februar 1999 erfolglos Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt. Danach habe sie einen Teil der Mängel beseitigen lassen. Sie rechnet mit den Beseitigungskosten sowie einem Vorschußanspruch für die Beseitigung der übrigen Mängel auf.
Im Laufe dieses Rechtsstreits hat die Klägerin die Klage auf den Beklagten zu 1) erweitert und den Antrag auf Unzulässigerklärung der Vollstreckung aus dem Urteil wiederholt. Weiter hat sie beantragt, die Vollstreckung des Beklagten zu 2) aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG B. für unzulässig zu erklären. Während dieses Rechtsstreits sind das Urteil des LG B. v. 24.7.1997 sowie der dazugehörige Kostenfestsetzungsbeschluss vollstreckt worden. Die Klägerin begehrt nunmehr, den Beklagten zu 1) zur Rückzahlung vollstreckter 96.951,09 EUR zu verurteilen, sowie die Feststellung, dass die Hauptsache bezüglich des Beklagten zu 2) erledigt sei.
LG und Berufungsgericht haben die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei mit ihrer auf die Aufrechnung gestützten Einwendung präkludiert. Der Senat hat die Revision der Klägerin zugelassen, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht führt aus, die Klage sei zulässig. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung könne der Klageantrag auf Zahlung umgestellt werden.
Ein Anspruch sei aus Bereicherungsrecht begründet, sofern vor Beendigung der Zwangsvollstreckung eine Klage nach § 767 ZPO Erfolg gehabt hätte. Die Klägerin sei allerdings mit ihren Gegenansprüchen nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert. Maßgeblicher Zeitpunkt sei der Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug des Vorprozesses und damit der 19.6.1997, da die Klägerin ihre Berufung vor der Verhandlung im zweiten Rechtszug zurückgenommen habe. Die Klägerin habe keinen Beweis dafür angetreten, dass die Mängel der Werkleistung des Beklagten zu 2) erst nach dem 19.6.1997 erkennbar geworden seien. Entscheidend sei allein, ob diese Mängel objektiv erkennbar gewesen seien und bereits zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Vorprozess hätten geltend gemacht werden können, nicht aber, dass die Klägerin den Beklagten zu 2) erfolglos zur Nachbesserung aufgefordert habe.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Zutreffend beurteilt das Berufungsgericht die Klage als zulässig. Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung kann der Klageantrag von der Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung auf Rückzahlung der geleisteten Beträge umgestellt werden; darin liegt keine Klageänderung. Nach allgemeiner Ansicht setzen sich vielmehr die rechtlichen Möglichkeiten der Vollstreckungsabwehrklage nach Beendigung der Zwangsvollstreckung in der materiell-rechtlichen Bereicherungsklage fort (BGH, Urt. v. 17.2.1982 - IVb ZR 657/80, BGHZ 83, 278 [280] = MDR 1982, 562).
2. a) Im Ansatz zutreffend stellt das Berufungsgericht für den nach Beendigung der Zwangsvollstreckung geltend gemachten Bereicherungsanspruch darauf ab, ob vor Beendigung der Zwangsvollstreckung eine Vollstreckungsabwehrklage begründet gewesen wäre. Anderenfalls ist die Leistung des Schuldners an den Gläubiger mit Rechtsgrund erfolgt. Dabei bestimmt es zu Recht als maßgeblichen Zeitpunkt für eine Präklusion der Einwendungen der Klägerin gem. § 767 Abs. 2 ZPO den Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug des Vorprozesses. Nach Rücknahme der Berufung ist auf diesen Zeitpunkt abzustellen (K. Schmidt in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 767 Rz. 76, m.w.N.).
b) Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klägerin nicht gem. § 767 Abs. 2 ZPO mit ihrer auf die Aufrechnung gestützten Einwendung präkludiert. Das Berufungsgericht verkennt die Tragweite des von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatzes, wonach bei einer Aufrechnung maßgeblich auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem die Aufrechnungslage entstanden ist.
aa) Eine Vollstreckungsabwehrklage kann nach § 767 ZPO nur Erfolg haben, wenn die Gründe, auf denen die Einwendung beruht, nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung entstanden sind. Sind die Gründe vor diesem Zeitpunkt entstanden und wird die Rechtswirkung der Einwendung erst durch eine Willenserklärung ausgelöst, so ist nach gefestigter Rechtsprechung der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Willenserklärung objektiv abgegeben werden konnte (BGH, Urt. v. 17.7.2003 - IX ZR 268/02, BGHReport 2003, 1302 m. Anm. Schneider = MDR 2003, 1433 = NJW 2003, 3134 [3135], m.w.N.; Urt. v. 16.2.1961 - VII ZR 191/59, BGHZ 34, 274 [279]; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 767 Rz. 14, m.w.N.). Dementsprechend kommt es bei der Aufrechnung darauf an, ob die Aufrechnungslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestanden hat. Ist das der Fall, kann mit der Vollstreckungsabwehrklage nicht der Einwand erhoben werden, die Forderung des Gläubigers sei durch die nach Schluss der mündlichen Verhandlung erklärte Aufrechnung mit Gegenansprüchen erloschen.
bb) Danach wäre die Klägerin mit dem Einwand der Erfüllung durch Aufrechnung präkludiert, wenn ihr vor Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess ein auf Geld gerichteter, mithin aufrechenbarer Anspruch wegen der gerügten Mängel zugestanden hat. Das Berufungsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Zugunsten der Klägerin ist deshalb in der Revision davon auszugehen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt keine Aufrechnungslage bestanden hat. Dann kommt eine Präklusion nicht in Betracht.
cc) Demgegenüber will das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem OLG Koblenz (OLG Koblenz v. 28.6.2001 - 2 U 1546/00, OLGReport Koblenz 2001, 455 [457]) die Präklusion auch auf den Fall anwenden, dass die Aufrechnungslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht bestanden hat, jedoch die Voraussetzungen für die Aufrechnung hätten geschaffen werden können. Das steht nicht in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung. Danach kommt es darauf an, ob die Einwendung objektiv hätte erhoben werden können. Das ist nicht der Fall, wenn deren materiell-rechtliche Voraussetzungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorgelegen haben. Der Schuldner ist nicht genötigt, die Voraussetzungen für eine Aufrechnung, möglicherweise gegen seine eigenen Interessen und seinen Willen, zu schaffen (OLG Hamm BauR 1989, 744). So wäre es unvertretbar, ihn mittelbar zu zwingen, sein Leistungsverweigerungsrecht aufzugeben und die Voraussetzungen für einen auf Geldzahlung gerichteten Anspruch dadurch zu schaffen, dass er den Gläubiger in Verzug mit der Mängelbeseitigung setzt. Das Leistungsverweigerungsrecht hat für ihn den Vorteil, dass er nach der Abnahme berechtigt ist, das mindestens Dreifache der Mängelbeseitigungskosten zurückzuhalten, § 641 Abs. 3 BGB. Das Berufungsgericht setzt ohne weiteres die Möglichkeit, ein Gestaltungsrecht auszuüben, mit der Möglichkeit gleich, die Voraussetzungen für die Ausübung eines Gestaltungsrechts zu schaffen. Die von ihm herangezogenen Belegstellen auch der Entscheidungen des BGH rechtfertigen diese Gleichsetzung nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 1406411 |
BGHZ 2006, 339 |