Dr. K. Jan Schiffer, Christoph Schürmann
A. Typische Sachverhalte aus der Praxis
Rz. 1
In der Praxis zur Nachfolgegestaltung – privat und im Unternehmensbereich – werden Stiftungen nach wie vor häufig nachgefragt, ohne dass es bei jeder entsprechenden Beratung tatsächlich zu einer Stiftungserrichtung kommen muss. In der Fachliteratur sind Stiftungen vor allem als Ansatz zur Gestaltung der Unternehmensnachfolge vielfach Gegenstand von Diskussionen. In der Vergangenheit fanden sich dazu einige geradezu euphorische Äußerungen. Eine Mindermeinung sieht das kritischer. Außerhalb des unternehmerischen Bereiches gewinnt die steuerbegünstigte Stiftung erheblich an Bedeutung im Zusammenhang mit der Nach- und Erbfolgeregelung. Das zeigt sich u.a. auch in der großen Anzahl einschlägiger Publikationen und in der Zahl der Neuerrichtungen. Im Jahr 2021 wurden 863 rechtsfähige (selbstständige) Stiftungen neu errichtet. Das sind wieder deutlich mehr als in den Jahren zuvor, nachdem die Zahl der Stiftungserrichtungen nach einem Höchststand 2007 längere Zeit rückläufig war und bei ca. 600 neu errichteten rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts pro Jahr lag. Die jährlich neu hinzukommenden unselbstständigen Stiftungen sind ungezählt.
Die Stiftung ist damit ein wichtiges Thema für die rechts- und steuerberatende Praxis. Man hat auch schon den Ausdruck Renaissance der Stiftungskultur verwendet. Die vorliegende Darstellung geht von dem neuen Stiftungszivilrecht aus, das ab dem 1.7.2023 in Kraft getreten ist (siehe Rdn 17 ff.) und schon seit der Verabschiedung im Juli 2021 praktisch und faktisch seinen Schatten vorausgeworfen hat.
Rz. 2
Die Motive für die Errichtung von Stiftungen sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Nach unserer Erfahrung lassen sich jedenfalls drei Hauptgruppen von Motiven für die Errichtung von Stiftungen unterscheiden, die einzeln oder auch kombiniert auftreten können:
▪ |
Gemeinnützige und mildtätige Motive; |
▪ |
der Wunsch, die Selbstständigkeit eines (Familien-)Unternehmens aufrechtzuerhalten, die Unternehmensnachfolge zu sichern, das eigene Lebenswerk oder das Werk, das von der Familie über viele Generationen aufgebaut wurde, zu erhalten; |
▪ |
der Wunsch nach einer langfristigen finanziellen Absicherung der Familie. |
Rz. 3
Stiftungen werden heute nicht mehr nur von vermögenden Privatleuten errichtet, die ihr Vermögen nach ihrem Tod für einen guten Zweck arbeiten lassen wollen, sondern auch von breiteren Kreisen der deutschen Bevölkerung. Im Hinblick auf die andauernde Krise am Kapitalmarkt und die daraus resultierende schwierige Ertragslage sind allerdings viele "kleine" Stiftungen mit einem Grundstockvermögen von z.B. 50.000 bis 100.000 EUR heute kaum mehr lebensfähig. Der Fall der gemeinnützigen Stiftung vermögender Privatpersonen ist zwar wohl derjenige, der in der Öffentlichkeit am bekanntesten ist, aber Stiftungen werden zur Vermögenssicherung nach wie vor gerade auch unternehmensbezogen gegründet. Am Beispiel eines Unternehmers lassen sich auch die wesentlichen Grundfragen des Stiftungsrechts für einen (potenziellen) Stifter besonders gut verdeutlichen.
Rz. 4
Nehmen wir das praxisrelevante und zugleich typisierte Praxisbeispiel eines Unternehmers ohne Nachkommen, der die Mehrheitsbeteiligung an einem Unternehmen hält, das bereits von seinen Großeltern gegründet worden ist. Darüber hinaus verfügt er über ein nicht unerhebliches von ihm selbst geschaffenes oder vermehrtes Privatvermögen.
▪ |
Der Unternehmer wird typischerweise bestrebt sein, die Selbstständigkeit des "Familienunternehmens" zu erhalten, und möchte ggf. einen sinnvollen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. |
▪ |
Hat er, wie in unserem Beispiel, keine eigenen Kinder, so würde bereits die besonders hohe Erbschaftsteuerbelastung für entfernte Verwandte regelmäßig den Zwang bedeuten, Gesellschaftsanteile zu veräußern, soweit das Privatvermögen für die Steuer nicht ausreicht. Die Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen wäre zumindest gefährdet oder ginge sogar verloren. Die Einsetzung einer gemeinnützigen und deshalb steuerbefreiten Stiftung zum Erben des Unternehmers oder zumindest wesentlicher Anteile könnte dieses Problem möglicherweise lösen. Der Unternehmer könnte etwa Wissenschaft und Forschung, Natur- und Umweltschutz oder auch das Wohlfahrtswesen fördern. |
▪ |
Ggf. könnte er zusätzlich Mittel aus seinem Privatvermögen der gemeinnützigen Stiftung übertragen. |
▪ |
In jedem Fall muss er aber wegen der Schenkung-/Erbschaftsteuerbelastung Vorsorge treffen, will er das Unternehmen nicht gefährden. Er hat entweder entsprechende Mittel für die Steuer zur Verfügung zu stellen oder er wählt den Weg über eine Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit. |
Rz. 5
Als prominente Namen im Zusammenhang mit Stiftungen sind etwa zu nennen: Hopp und Tschira (beide SAP), Mohn, Würth, Kamprad ("Ikea"), Kirch, Eckernkamp (Vogel-Verlag), Brandstätter ("Playmobil"), Schwarz (Lidl), Aldi, Wiedeking oder auch Michael Stich, Jürgen Klinsmann und Thomas Gottschalk.
Rz. 6
Es gibt gegenwärtig (letzter Stand: 2021) etwa 24.650 selbstständige ...