Rz. 162
Nach § 2215 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Pflicht nur auf die der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlassgegenstände. Ist als Ersatzlösung bei Testamentsvollstreckung über einzelkaufmännische Unternehmen die Treuhandlösung gewählt worden, bei der der Testamentsvollstrecker Inhaber des Geschäfts ist, jedoch auf Rechnung des Erben, ist § 2215 Abs. 1 BGB analog anzuwenden.
Rz. 163
Zunächst sind alle Nachlassgegenstände und -rechte nebst -verbindlichkeiten, mithin alle Aktiva und Passiva, vollständig aufzulisten. Es gilt der Grundsatz der Vollständigkeit der Nachlasserfassung. Ist der Testamentsvollstrecker nicht sicher, ob weitere Gegenstände oder Rechte als Aktiva oder Passiva zugerechnet werden können, hat er zumindest einen Hinweis für die Erben zu erteilen. Eine genaue Beschreibung der Nachlassgegenstände ist nicht erforderlich, ebenso ist keine Wertangabe der Nachlassgegenstände zwingend. Sämtliche Gegenstände müssen anhand des Verzeichnisses individualisiert werden können. Aus diesem Grund ist auch eine summarische Bezeichnung von Wertpapieren nicht ausreichend, vielmehr ist die Bank und Depot-Nr. anzugeben. Da § 2215 BGB eine sehr sorgfältige Nachlasserfassung erfordert, hat der Testamentsvollstrecker von sich aus den Nachlass zu sichten und genau zu ermitteln, wobei er sogar verpflichtet ist, alle ihm zugänglichen Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen. Dem Testamentsvollstrecker steht daher ein Auskunftsanspruch wegen lebzeitiger Schenkungen zu, um einerseits Ausgleichspflichten bewerten und andererseits die Erbschaftsteuerklärung (wegen § 14 ErbStG) richtig ausfüllen zu können. Belege müssen dem Nachlassverzeichnis ebenso wenig beigefügt werden wie Wertangaben.
Rz. 164
Nach § 2215 Abs. 2 BGB ist das Nachlassverzeichnis mit der Angabe des Tages der Aufnahme zu versehen und von dem Testamentsvollstrecker zu unterzeichnen. Nicht den Erfordernissen des § 2215 Abs. 2 BGB entspricht ein Nachlassverzeichnis, das auf den Stichtag des Todesfalls ausgestellt wurde. Dies ist bereits deshalb nicht möglich, weil sich ein früherer Vermögensstatus seiner gesicherten Kenntnis entzieht. Der früheste Zeitpunkt ist somit der Zeitpunkt der Amtsannahme des Testamentsvollstreckers.
Rz. 165
Der Erbe kann nach § 2215 Abs. 2 Hs. 2 BGB vom Testamentsvollstrecker verlangen, seine Unterzeichnung gem. § 129 BGB, §§ 36, 39, 40, 63 BeurkG öffentlich beglaubigen zu lassen. Kann der Testamentsvollstrecker erkennen, dass sich seit dem Erbfall bis zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses Veränderungen ergeben haben, hat er im Verzeichnis darauf hinzuweisen.
Rz. 166
Ist der Erbe der Ansicht, das Nachlassverzeichnis sei unvollständig, so muss der Testamentsvollstrecker es nur dann ergänzen, wenn der Erbe dies ausdrücklich beantragt. Des Weiteren hat er die Möglichkeit, ein amtliches Nachlassverzeichnis aufnehmen zu lassen.
Rz. 167
Sofern der Testamentsvollstrecker zugleich gesetzlicher Vertreter eines Erben oder Miterben ist (Eltern, Betreuer, Vormund oder Pfleger), ist er dennoch verpflichtet, ein Vermögensverzeichnis zu erstellen. Er muss es sich dann selbst mitteilen. Ebenso ist unstreitig, dass Eltern gem. § 640 BGB, Vormund, Pfleger und Betreuer gem. § 1802 BGB ein Verzeichnis dem Familiengericht einreichen müssen. Nach überwiegender Auffassung ist keine Bestellung eines Pflegers zur Entgegennahme und Überprüfung des Nachlassverzeichnisses notwendig.
Rz. 168
Müssen die Erben ein Inventar nach Maßgabe der §§ 1993 ff., 2001 ff. BGB aufnehmen, so hat der Testamentsvollstrecker nach § 2215 Abs. 1 Hs. 2 BGB die zur Aufnahme des Inventars sonst erforderliche Beihilfe zu leisten.
Rz. 169
Das Nachlassverzeichnis setzt keine Vollständigkeitsvermutung i.S.d. § 2009 BGB. Erwiesen wird durch das Nachlassverzeichnis lediglich, dass die dort aufgeführten Gegenstände und Rechte zum Zeitpunkt der Errichtung nach der Erkenntnis des Testamentsvollstreckers zum Nachlass gehörten. Ein Nachlassverzeichnis hat lediglich eine höhere Richtigkeitsvermutung als ein privates Verzeichnis, ist aber i.d.R. ebenfalls widerlegbar.