Rz. 210
Damit das Nachlassvermögen während der Dauer der Testamentsvollstreckung wertmäßig erhalten bleibt, normiert § 2205 S. 3 BGB ein Verbot unentgeltlicher Verfügungsgeschäfte. Es ähnelt dem Verfügungsverbot aus § 2113 Abs. 2 BGB. Somit ist der Testamentsvollstrecker nur dann zur unentgeltlichen Verfügung berechtigt, soweit sie einer sittlichen Pflicht oder einer auf Anstand berührende Rücksichtnahme i.S.v. § 2205 S. 3 BGB entsprechen. Hierdurch kommt es zu einer dinglichen Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers. Wann Verfügungen als unentgeltlich gelten, beurteilt sich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zum Zeitpunkt der Verfügungsvornahme, wobei spätere Wertentwicklungen nicht zu berücksichtigen sind.
Rz. 211
Unentgeltlichkeit ist somit dann gegeben, wenn objektiv ein Opfer aus der Erbschaftsmasse ohne gleichwertige Gegenleistung erbracht wird und subjektiv der Testamentsvollstrecker weiß, dass diesem Opfer keine gleichwertige Gegenleistung an die Erbschaftsmasse gegenübersteht, oder er doch bei ordnungsgemäßer Verwaltung der Masse unter Berücksichtigung seiner künftigen Pflicht, die Erbschaft an den Erben herauszugeben und das Fehlen oder die Unzulänglichkeit der Gegenleistung hätte erkennen müssen. Dem Testamentsvollstrecker verbleibt daher bei der Bewertung der Gleichwertigkeit von Gegenleistungen ein gewisser Ermessensspielraum. Auch teilunentgeltliche Verfügungen sind unentgeltlichen Verfügungen gleichzusetzen. Hierdurch werden diese Verfügungen insgesamt unwirksam. Ebenso sind Verfügungen, die ohne rechtlichen Grund erfüllt werden, unwirksam, wie z.B. die Erfüllung unwirksamer Anordnungen im Testament.
Rz. 212
Die Gegenleistung muss grundsätzlich in den Nachlass gelangen, andernfalls kann die Verfügung nicht als entgeltlich bewertet werden. Ausreichend ist, wenn ein Entgelt an den Testamentsvollstrecker entrichtet wird, welches dann Kraft dinglicher Surrogation in das Nachlassvermögen fällt. Keine Gegenleistung liegt vor, wenn eine Verfügung an einen Dritten – z.B. Miterben – getätigt wird, der ohnehin einen Anspruch hat, oder diese nicht Nachlassverbindlichkeit ist. Es spielt für die Frage der Entgeltlichkeit keine Rolle, wie der Testamentsvollstrecker mit der Gegenleistung umgeht. Veruntreut der Testamentsvollstrecker die Gegenleistung oder enthält er sie dem Nachlass vor, wird hierdurch die Entgeltlichkeit nicht ausgeschlossen. Dies gilt nicht, wenn die Pflichtwidrigkeit der Verwendung der Gegenleistung mit dem Vertragspartner von vornherein vereinbart war.
Rz. 213
Problematisch sind die Fälle, in denen trotz Vorleistung des Testamentsvollstreckers die Gegenleistung nicht erbracht wird. Da die Gegenleistung nicht bewirkt sein muss, um die Entgeltlichkeit der Verfügung festzustellen, ist von einer Entgeltlichkeit der Verfügung auszugehen. Der Testamentsvollstrecker kann ohne Weiteres Schadensersatz verlangen oder vom Vertrag zurücktreten.
Praxishinweis
Grundsätzlich ist anzuraten, vorsorglich Verfügungen als Testamentsvollstrecker nur unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Erbringung der Gegenleistungen oder aber Eigentumsvorbehalte zu vereinbaren. Andernfalls kann sich der Testamentsvollstrecker gem. § 2219 BGB schadensersatzpflichtig machen.
Rz. 214
Von weit erheblicher Praxisrelevanz ist die Zulässigkeit von Vergleichen, die der Testamentsvollstrecker schließt. In einem Vergleich liegt regelmäßig ein Nachgeben. Wird teilweise auf eine Forderung qua Vergleich verzichtet, kommt es auf die tatsächliche rechtliche Lage an. So kann durchaus ein Vergleich eine unentgeltliche Verfügung darstellen, wenn der Vergleich zu Ungunsten der Erben war.
Praxishinweis
Demzufolge ist es ratsam, vor Abschluss eines Vergleiches die Einwilligung der Erben einzuholen, um einer Haftung zu entgehen.
Wird keine Zustimmung erteilt, bleibt es das Risiko des Testamentsvollstreckers, ob der Anspruch, auf den der Testamentsvollstrecker durch den Vergleich teilweise verzichtet hat, rechtlich vollständig durchsetzbar gewesen wäre oder nicht. Regelmäßig kann aber dann keine (Teil-)Unentgeltlichkeit des Vergleichs unterstellt werden, wenn beide Parteien gleichsam auf gleichwertige Ansprüche verzichtet haben.
Rz. 215
Sofern ein unentgeltliches Verfügungsgeschäft vorliegt, besteht kein Gutglaubensschutz, da die §§ 892 ff., 932 ff. BGB unanwendbar sind. Voraussetzung für das Fehlen des Gutglaubensschutzes ist jedoch das Vorliegen der subjektiven Tatbestandserfordernisse.
Rz. 216
Allerdings kann der Testamentsvollstrecker Verfügungen aufgrund von Anstandspflichten treffen. Bei einer sittlichen Pflicht liegt der Grund der Schenkung nicht nur in der besonderen persönlichen Verbundenheit, sondern in einem sittlichen Gebot. Auf die Anschauung bestimmter Kreise kommt es bei der Anstandspflicht nicht an. Anstandsschenkungen sind insbesondere die üblichen Geschenke zu besonderen Angelegenheiten, wie Geburtstagen, Hochzeiten oder Weihnachten. Nach § 534 BGB unterliegen Pfl...