Rz. 260
Hinsichtlich der sog. Innenseite, also der personenrechtlichen Sphäre, ist die Kernrechtsbereichstheorie entwickelt worden. Danach sind die Gesellschafterrechte im eigentlichen Sinne wegen ihrer höchstpersönlichen Natur der Ausübung durch einen Dritten nicht zugänglich und können somit der Testamentsvollstreckung grundsätzlich nicht unterliegen. Dementsprechend können Verwaltungsmaßnahmen des Testamentsvollstreckers nicht die Innenseite der Beteiligung betreffen.
Rz. 261
Gesellschaftsrechtliche Mitwirkungsrechte, wie z.B. die Teilnahme an Gesellschafterversammlungen und Beschlüssen, das Informations- und Kontrollrecht sowie das Stimmrecht, sind der Kompetenz des Testamentsvollstreckers zwingend entzogen.
Rz. 262
Ausnahmsweise ist ein Zustimmungsbedarf des Testamentsvollstreckers anzunehmen, wenn die Mitwirkungsrechte auch die vermögensrechtliche Außenseite betreffen. Auf dieser sog. Außenseite der Beteiligung kann der Testamentsvollstrecker eine den Erben beaufsichtigende Funktion wahrnehmen. Hierunter fallen z.B. die Verwaltung und Fälligkeit von Gewinnansprüchen und das Auseinandersetzungsguthaben. Der Erbe kann daher ohne Mitwirkung des Testamentsvollstreckers nicht über seinen geerbten Gesellschaftsanteil verfügen, der wegen § 2214 BGB auch dem Zugriff von Eigengläubigern des Erben entzogen ist.
Rz. 263
Aufgrund der Kernrechtbereichstheorie darf der Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben in die unentziehbaren Rechte nicht eingreifen. Diese unentziehbaren Rechte sind nicht durch Mehrheitsbeschluss abänderbar, sondern nur durch die ursprüngliche Satzung oder den Ur-Gesellschaftsvertrag. So kann der Testamentsvollstrecker bspw. nicht das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund ausüben oder Änderungen des Kapitalanteils oder der handelsrechtlichen Haftung vornehmen. Hat der Erblasser angeordnet, dass der Testamentsvollstrecker die Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft umwandeln darf, bedarf dies nicht der Zustimmung der Erben, sofern diese durch die Umwandlung nicht weitergehend persönlich verpflichtet werden. Aufgrund des Verbotes unentgeltlicher Verfügungen aus § 2205 S. 3 BGB und dem Gebot der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses aus §§ 2206 Abs. 1, 2216 Abs. 1 BGB kann der Testamentsvollstrecker nicht an Satzungsänderungen oder Beschlüssen mitwirken, die eine Leistungspflicht einführen, die durch die Nachlassmittel nicht erfüllt werden kann. Gleiches gilt für Handlungen, die zu einem einseitigen Rechtsverlust für die Gesellschafter führen.
Rz. 264
Hat ein Gesellschafter einen verstorbenen Mitgesellschafter beerbt, ist fraglich, ob eine Testamentsvollstreckung unzulässig ist. Nach der Rspr. kommt es zu einer vermögensmäßigen Trennung beider Gesellschaftsanteile. Insofern wird eine Spaltung vorgenommen, wonach der ererbte Gesellschaftsanteil dem Nachlassvermögen zuzuordnen ist. Der beim Erbfall bereits vorhandene Gesellschaftsanteil wird hingegen dem Privatvermögen zugeordnet.
Rz. 265
Die Rechtslage ist durch die Rspr. noch nicht endgültig entschieden. Allerdings dürfte nach wohl h.M. die sog. Kernbereichslehre nicht auf das Testamentsvollstreckerrecht anwendbar sein. Demzufolge ist es aus Sicherheitsgründen ratsam, vorsorglich die Zustimmung der Erben bei Beschlüssen einzuholen.
Ferner könnte als Alternative eine Umwandlung von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft erwogen werden, wozu eine ausdrückliche Erblasseranordnung in die letztwillige Verfügung aufgenommen werden sollte.
Praxishinweis
Weidlich empfiehlt zur Entschärfung der Haftungsproblematik der Ersatzlösungen, dass aufgrund einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Regelung die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis mit dem Erblassertod erlischt und die Vertretungsbefugnis des Testamentsvollstreckers durch Erteilung einer Vollmacht bzw. einer Prokura durch die übrigen Gesellschafter herbeigeführt wird.
Rz. 266
Um eine direkte Testamentsvollstreckung über eine der vorgenannten Beteiligungen zu erreichen, gibt es die Möglichkeit der sog. beaufsichtigenden Testamentsvollstreckung. Wegen der noch weitgehend ungeklärten Abgrenzungsfragen ist dringend zu empfehlen, bei einer bestehenden Testamentsvollstreckung nur bei der laufenden Geschäftsführung und Gesellschaftsvertragsänderungen, die nur geringfügig in die Rechtstellung des Gesellschafter-Erben eingreifen, auf die Zustimmung des Testamentsvollstreckers zu verzichten. Seine Beteiligung ist jedenfalls schon beim Ergebnisverwendungsbeschluss erforderlich, da andernfalls Nichtigkeit droht.
Rz. 267
Die einzelnen Auswirkungen der beaufsichtigenden Testamentsvollstreckung sind unübersichtlich. Aufgrund der Kernrechtsbereichstheorie kann der Testamentsvollstrecker keine Verwaltungsmaßnahmen vornehmen, die die sog. Innenseite der Beteiligung betreffen. Allerdings kann er eine beaufsichtigende Funktion über den Erben haben und damit an der Außenseite der Beteiligung. Wie oben festgestellt, kann die Anordnung einer...