Rz. 156
Das Nachlassverzeichnis des Testamentsvollstreckers ist eines der wichtigsten Kontrollmittel des Erben. § 2215 BGB konstatiert eine Mitteilungspflicht des Testamentsvollstreckers gegenüber dem Erben. Es hat somit Beweisfunktion, was sich alles im Nachlass befindet. Der Erbe ist für die Geltendmachung bestimmter Rechte wie Rechnungslegung nach §§ 2218, 666 BGB oder die Herausgabe des Nachlasses nach §§ 2218, 667 BGB auf ein Nachlassverzeichnis angewiesen. Insofern kann grundsätzlich jede Verzögerung bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses die Interessen der Erben beeinträchtigen.
1. Zeitpunkt der Erstellung
Rz. 157
Die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses durch den Testamentsvollstrecker hat unverzüglich, mithin ohne schuldhaftes Zögern i.S.d. § 121 Abs. 1 BGB, zu erfolgen. Der Testamentsvollstrecker darf also nicht abwarten, bis er das Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt erhält. Kommt es aber bei der Erfassung der Vermögenswerte zu erheblichen Schwierigkeiten, kann sich die Frist angemessen verlängern. Allerdings muss der Testamentsvollstrecker alle Anstrengungen unternehmen, um dem Erben so schnell wie möglich das Nachlassverzeichnis vorzulegen.
Rz. 158
Die Mitteilung zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses hat zudem nach der Annahme des Amtes zum Testamentsvollstrecker unaufgefordert zu erfolgen. Hat der Testamentsvollstrecker sein Amt gekündigt und noch kein Verzeichnis erstellt, so muss er dieses nicht nachträglich vorlegen. Kommt der Erbe (insbesondere aber der Vermächtnisnehmer) durch das Nichterstellen eines Nachlassverzeichnisses allerdings zu Schaden (der schwer zu beweisen ist), muss aber der zur Unzeit kündigende Testamentsvollstrecker mit Haftungsansprüchen der Erben gem. § 2219 BGB rechnen.
Rz. 159
Nach dem Wortlaut besteht die Verpflichtung zur Übermittlung eines Nachlassverzeichnisses nur gegenüber dem Erben. Ein Nacherbe hat den Anspruch nach Eintritt des Erbfalls. Ebenso hat ein Anspruch ein Pfändungspfandgläubiger des Erbteils, wie auch dem Nießbrauchsberechtigten an einem Erbteil oder an einer Erbschaft (vgl. §§ 1035, 1068 BGB).
Rz. 160
Weitere Dritte, wie bspw. Pflichtteilsberechtigte, Vermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigte sollen die Übermittlung eines Nachlassverzeichnisses nicht verlangen können. Dem kann nicht gefolgt werden. Richtigerweise kann sich aus der Haftungsvorschrift des § 2219 BGB die mittelbare Verpflichtung ergeben, dem Vermächtnisnehmer oder auch Wertauflagenbegünstigten ein Nachlassverzeichnis im Einzelfall vorzulegen.
Rz. 161
Aufgrund von § 2220 BGB kann der Erblasser den Testamentsvollstrecker von seiner Verpflichtung zur Übermittlung des Nachlassverzeichnisses nicht befreien. Hingegen kann der Erbe seinerseits auf ein Nachlassverzeichnis verzichten. Ein derartiger Verzicht kann auch konkludent erfolgen, wobei jedoch allein vom Zeitablauf her nicht von einem Verzicht ausgegangen werden kann. Vielmehr müssen weitere Umstandsmomente hinzukommen.
2. Inhalt des Nachlassverzeichnisses
Rz. 162
Nach § 2215 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Pflicht nur auf die der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlassgegenstände. Ist als Ersatzlösung bei Testamentsvollstreckung über einzelkaufmännische Unternehmen die Treuhandlösung gewählt worden, bei der der Testamentsvollstrecker Inhaber des Geschäfts ist, jedoch auf Rechnung des Erben, ist § 2215 Abs. 1 BGB analog anzuwenden.
Rz. 163
Zunächst sind alle Nachlassgegenstände und -rechte nebst -verbindlichkeiten, mithin alle Aktiva und Passiva, vollständig aufzulisten. Es gilt der Grundsatz der Vollständigkeit der Nachlasserfassung. Ist der Testamentsvollstrecker nicht sicher, ob weitere Gegenstände oder Rechte als Aktiva oder Passiva zugerechnet werden können, hat er zumindest einen Hinweis für die Erben zu erteilen. Eine genaue Beschreibung der Nachlassgegenstände ist nicht erforderlich, ebenso ist keine Wertangabe der Nachlassgegenstände zwingend. Sämtliche Gegenstände müssen anhand des Verzeichnisses individualisiert werden können. Aus diesem Grund ist auch eine summarische Bezeichnung von Wertpapieren nicht ausreichend, vielmehr ist die Bank und Depot-Nr. anzugeben. Da § 2215 BGB eine sehr sorgfältige Nachlasserfassung erfordert, hat der Testamentsvollstrecker von sich aus den Nachlass zu sichten und genau zu ermitteln, wobei er sogar verpflichtet ist, alle ihm zugänglichen Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen. Dem Testamentsvollstrecker steht daher ein Auskunftsanspruch wegen lebzeitiger Schenkungen zu, um einerseits Ausgleichspflichten bewerten und andererseits die Erbschaftsteuerklärung (wegen § 14 ErbStG) richtig ausfüllen zu können. Belege müssen dem Nachlassverzeichnis ebenso wenig beigefügt werden wie Wertangaben.
Rz. 164
Nach § 2215 Abs. 2 BGB ist das Nachlassverzeichnis mit der Angabe des Tages der Aufnahme zu versehen und von dem Testamentsvollstrecker zu unterzeichnen. Nicht den Erfordernissen des § 2215 Abs. 2 BGB entspricht ein Nachlassverzeichnis, das auf den Stichtag des Todesfalls ausgestellt wurde. Dies ist bereits deshalb ...