a) Gegenüber Geschädigten
Rz. 24
Dem Geschädigten, der keine andere Ersatzmöglichkeit hat (z.B. keine eigene Kaskoversicherung), haftet der Versicherer auch im Falle von Obliegenheitsverletzungen seines Versicherungsnehmers voll. Nachdem § 3 Nr. 6 PflVG das früher umfassend bestehende Verweisungsprivileg eingeschränkt hat, kann der Versicherer jetzt den Geschädigten in Fällen der Verletzung von Bau- und Betriebsvorschriften, der Verletzung der Führerscheinklausel oder der Führung des Fahrzeugs durch einen unberechtigten Fahrer grundsätzlich nicht einmal mehr wegen der maximal 5.000 EUR, in deren Höhe er im Innenverhältnis seinem Versicherungsnehmer gegenüber leistungsfrei ist, verweisen.
Verweisen kann er den Geschädigten nur noch bei sonstigen Obliegenheitsverletzungen wie z.B. einer Trunkenheitsfahrt.
Aber auch in diesen Fällen kann der Versicherer, da seine Leistungsfreiheit durch die AKB (D.33 AKB 2008) auf den Höchstbetrag von 5.000 EUR begrenzt ist, das Verweisungsprivileg des § 117 Abs. 2 VVG auch nur bis zu diesem Betrag ausüben. Für darüber hinausgehende Beträge haftet er dem Geschädigten ebenso wie für etwaige Sachfolgeschäden (BGH zfs 2012, 212; LG Saarbrücken zfs 2013, 45) und zwar auf die vertraglich vereinbarte Versicherungssumme und nicht nur auf die gesetzliche.
Nach der Empfehlung des HUK-Verbandes (Sonderrundschreiben KH 59/75) soll in diesen Fällen allerdings der eigentlich leistungsfreie KH-Versicherer vorab regulieren und beim Kaskoversicherer regressieren.
Achtung: Vertragskündigung jetzt nicht mehr erforderlich
Anders als nach früherem Recht (§ 6 Abs. 1 S. 3 VVG), nach dem der Versicherer gegen den Versicherungsnehmer nur regressieren konnte, wenn er im Falle der Verletzung einer vor dem Versicherungsfall zu erfüllenden Obliegenheit den Versicherungsvertrag binnen eines Monats nach Kenntnis der Obliegenheitsverletzung gekündigt hatte, kann er jetzt regressieren, ohne kündigen zu müssen.
b) Gegenüber seinem kaskoversicherten Versicherungsnehmer
Rz. 25
Anders als in der KH-Versicherung, in der der Versicherer bis maximal 5.000 EUR leistungsfrei werden kann, kann der Versicherungsnehmer seinen Kaskoversicherungsschutz zur Gänze verlieren, was nicht nur im Falle einer vorsätzlich begangenen Obliegenheitsverletzung wie einer Unfallflucht (LG Krefeld NZV 2014, 40), sondern auch bei besonders groben Verstößen wie einer Alkoholfahrt mit hohem Blutalkoholwert (BGH zfs 2011, 511; OLG Dresden zfs 2018, 276) der Fall sein kann.
In sonstigen Fällen grober Fahrlässigkeit ist eine einzelfallbezogene Quote zu ermitteln.
Da allerdings der Versicherungsnehmer nur für eigenes Verschulden haftet und das Verschulden eines Dritten ihm, solange dieser nicht ausnahmsweise sein Repräsentant war, nicht zugerechnet werden kann (siehe Rdn 13), ist ihm gegenüber der Kaskoversicherer auch dann voll leistungspflichtig, wenn der Dritte als berechtigter Fahrzeugführer eine Obliegenheit verletzt hat. Da die gegen den Dritten bestehenden Ansprüche des Versicherungsnehmers gem. § 86 Abs. 2 VVG auf den Versicherer übergehen, kann dieser grundsätzlich beim Dritten Regress nehmen. Dabei sind allerdings bestimmte gesetzliche Beschränkungen zu beachten (siehe Rdn 29 ff.).
Rz. 26
Achtung: Selbstbehalt
Noch nicht abschließend geklärt ist, wie ein bestehender vertraglicher Selbstbehalt bei der Bildung der Quote zu berücksichtigen ist, d.h. wie die Quote ausgehend von dem um den Selbstbehalt gekürzten Schadensbetrag zu bilden ist oder die Selbstbeteiligung erst nach Bildung der Quote abgezogen wird.
Nach meiner Auffassung ist nach der dem Versicherungsnehmer günstigeren ersten Alternative vorzugehen, zumal nach den AKB beide Auslegungen möglich sind und Unklarheiten nach dem Maßstab des § 305c BGB zu Lasten des Versicherers gehen.
Rz. 27
In der Kaskoversicherung berechtigen nicht nur Verletzungen von Obliegenheiten, sondern darüber hinaus auch jede grobe fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls (§ 81 VVG) den Versicherer, zumindest teilweise die Leistung zu verweigern.
Zwar führt die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls nicht mehr wie vor der VVG-Reform zur vollen Leistungsfreiheit des Versicherers; der Anspruch des Versicherungsnehmers ist jetzt je nach der Schwere des Verschuldens zu quoteln.
Achtung: Hier keine Kausalitäts- oder Verschuldensvermutung
Zu beachten ist, dass - anders als bei Obliegenheitsverletzungen - grobe Fahrlässigkeit und Kausalität nicht vermutet werden; sie stehen also zur vollen Beweislast des Versicherers.
Dieser Beweis ist nicht alleine mit dem Nachweis eines objektiven Verstoßes geführt, grobe Fahrlässigkeit setzt vielmehr auch den Beweis der subjektiven Vorwerfbarkeit i.S. eines unentschuldigten Fehlverhaltens voraus.
Rz. 28
Achtung: Zurechnung des Verschuldens Dritter
In der Praxis wird häufig übersehen, dass nur das Verschulden des Versicherungsnehmers selbst zur Leistungsverweigerung berechtigt und ihm das Verschulden eines Dritten nur zugerechnet werden kann, wenn dieser sein Repräsentant ist, denn § 278 BGB gilt für versich...