Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 5
Für den Auszubildenden wurden im BBiG besondere Schutzbestimmungen normiert. Auszubildender ist danach, wer von einem Ausbildenden eingestellt wird, um in einem geordneten Ausbildungsgang eine breit angelegte berufliche Grundbildung, welche die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die erforderlichen Berufserfahrungen, vermittelt, zu erhalten (§ 1 Abs. 3 S. 1 BBiG). Zwar wird die Berufsausbildung sich faktisch noch immer in eine Grund- und eine darauf aufbauende qualifizierte Fachausbildung gliedern. Da der Zweck der Berufsausbildung jedoch im Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit liegt, ist diese Differenzierung nach dem Gesetz überflüssig (vgl. Wohlgemuth/Pepping/Wohlgemuth/Günther, BBiG, § 1 Rn 13 ff.; Natzel, DB 2005, 610). Durch die Ergänzung des Begriffes der Fähigkeiten soll deutlich werden, dass auch die Anforderungen einer modernen Arbeitswelt, die sog. "social skills" wie Team- und Kommunikationsfähigkeit hier einzubeziehen sind (BT-Drucks 15/3980, 42).
Rz. 6
Durch die Reform des BBiG v. 23.3.2005 sollte mehr jungen Menschen die berufliche Erstausbildung ermöglicht, die internationale Wettbewerbsfähigkeit gesichert und die Durchlässigkeit der Bildungssysteme erhöht werden. Weiterhin sollte die Kooperation zwischen den Betrieben und den Schulen gestärkt werden (BT-Drucks 15/3980, 1). Grundlegende Änderungen wurden durch die Reform jedoch nicht vorgenommen. Zahlreiche Neuerungen brachte dagegen die Schaffung des Gesetzes zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2522) mit sich, welches am 1.1.2020 in Kraft getreten ist. Insbesondere wurde in § 17 Abs. 2 BBiG eine Mindestausbildungsvergütung verankert, und es wurden neue Fortbildungsbezeichnungen in den §§ 53 ff. BBiG eingeführt (z.B. Bachelor Professional), wobei der jeweilige Berufsstand selbst entscheiden kann, ob er von diesen Gebrauch macht (hierzu und zu den wichtigsten Änderungen des BBiG Rennebarth, DStR 2020, 516 ff.). Ziel der Gesetzesänderung war es vor allem – vor dem Hintergrund des nach wie vor starken Trends zum Studium und dem u.a. daraus resultierenden Fachkräftemangel –, die duale Ausbildung für Jugendliche attraktiver zu gestalten (BT-Drucks 19/10815, 45; ErfK/Schlachter, BBiG, § 1 Rn 1; Rennebarth, DStR 2020, 516, 520; vgl. auch Düwell, NZA 2021, 28 ff.).
Rz. 7
Der Auszubildende ist nach überwiegender (aber umstrittener) Ansicht grundsätzlich kein Arbeitnehmer (BAG v. 20.8.2003 – 5 AZR 436/02, NZA 2004, 205; vgl. Wohlgemuth/Pepping/Banke/Pepping, BBiG, § 10 Rn 24; Schaub/Vogelsang, ArbRHB, § 174 Rn 5; Leinemann/Taubert/Leinemann/Taubert, BBiG, § 10 Rn 3 ff.), da die Vertragspartner in einem Ausbildungsverhältnis und in einem Arbeitsverhältnis einer unterschiedlichen Pflichtenbindung unterliegen. Zudem unterscheidet das BBiG deutlich zwischen Arbeits- und Berufsausbildungsverhältnissen. Der Auszubildende ist aber in vielen Fällen wie ein Arbeitnehmer zu behandeln, so z.B. bei §§ 3 Abs. 3 EFZG, 2 BUrlG, 622 Abs. 2 BGB, 1 KSchG. Nach § 10 Abs. 2 BBiG sind auf den Berufsausbildungsvertrag die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden, soweit sich aus seinem Wesen und Zweck sowie aus dem BBiG selbst nichts anderes ergibt. Gestützt wird diese Auffassung insb. durch die Bestimmungen in den §§ 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG, 15 Abs. 1 ArbPlSchG, 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG, 2 S. 1 BUrlG, 4 Abs. 1 BPersVG, 17 Abs. 1 S. 1 BetrAVG, 1 Abs. 2 S. 1 VermBG, 1 Abs. 2 EFZG. In diesen Gesetzen wird ausdrücklich Bezug genommen auf die "zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten".