Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 323
Hat sich die GmbH zur Trennung von dem Geschäftsführer entschlossen, ist die zentrale Frage, wie es bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. bis zum Befristungsende weitergehen soll. Neben der i.d.R. sinnvollen Möglichkeit der Generalbereinigung (vgl. Dicke, GmbHR 2019, 572 ff.) durch einen Aufhebungsvertrag (vgl. § 27 Rdn 1 ff.) besteht seitens der GmbH regelmäßig das Interesse, den Geschäftsführer freistellen zu können. Dies geht grundsätzlich nur unter Fortzahlung der vertraglichen Vergütung. Bezüglich der Fixvergütung ist dies eher unproblematisch. Streitanfällig ist vielfach das "Ob" bzw. "Wie" der variablen Vergütung (vgl. Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 80 Rn 49).
Rz. 324
Es ist daher zu empfehlen, dies bereits im Anstellungsvertag möglichst präzise zu regeln, um späterem Streit vorzubeugen. Möglich ist es, den Anspruch auf eine variable Vergütung in der Freistellungsphase auf die Fixbezüge zu begrenzen (vgl. Dahlbender, GmbH-StB 2011, 90 ff., 92). Eine solche Regelung, die den Wegfall des Anspruchs auf die variable Vergütung ab dem Zeitpunkt der Freistellung festlegt, ist grundsätzlich zulässig (vgl. Dahlbender, GmbH-StB 2011, 90 ff., 92; Bauer/Göpfert/Siegrist, DB 2006, 1774, 1777). Ist keine klare Regelung getroffen, beginnt später regelmäßig ein Verhandlungspoker (vgl. zur Bemessung der variablen Vergütung im Trennungsprozess, Melot de Beauregard/Schwimmbeck/Gleich, DB 2012, 2792 ff., 2853 ff.).
Rz. 325
Aus Sicht der GmbH empfiehlt es sich insofern, bereits im Geschäftsführer-Dienstvertrag trotz der klarstellenden oben genannten Entscheidung des BGH (Rdn 321), wonach der Geschäftsführer nach seiner Abberufung keinen Weiterbeschäftigungsanspruch hat (vgl. BGH v. 11.10.2010 – II ZR 266/08, DB 2011, 49 = NJW 2011, 920 Geschäftsführer der Bundeskunsthalle Bonn), das Recht der GmbH zur Freistellung aufzunehmen, und neben der Frage des offenen Urlaubs (vgl. zur Anwendung des BUrlG auf Fremd-GF und Minderheitsgesellschafter-GF Forst, GmbHR 2012, 821 ff.) auch die Thematik der Vergütung und die Anrechnung etwaigen anderweitigen Verdienstes zu regeln (vgl. BAG v. 16.7.2013 – 9 AZR 50/12, juris zum Urlaub bei einer unwiderruflichen Freistellung). Dann beruht die (spätere) Freistellung auf einer Vereinbarung (vgl. zu einer einvernehmlichen Freistellungsvereinbarung in einem Aufhebungsvertrag unten § 27 Rdn 109 ff.).
Rz. 326
Die vertraglich vereinbarte Freistellung unterscheidet sich von der einseitig vom Arbeitgeber erklärten Freistellung (vgl. BAG v. 23.2.2021 – 5 AZR 314/209, juris Rn 12). Im Fall der einseitigen Freistellung ist die Gesellschaft grundsätzlich gem. § 615 S. 1 BGB zur Fortzahlung der Bezüge unter möglicher Berücksichtigung der Anrechnung etwaiger anderweitiger Einkünfte gem. § 615 S. 2 BGB verpflichtet (vgl. ausführlich Kothe-Heggemann/Schelp, GmbHR 2011, 75; Dahlbender, GmbH-StB 2011, 90). Denn stellt die GmbH den Geschäftsführer einseitig frei, gerät die GmbH gem. § 293 BGB in Annahmeverzug (vgl. BAG v. 23.2.2021 – 5 AZR 314/20, juris Rn 12; BAG v. 21.10.2015 – 5 AZR 843/14, juris Rn 37). Folge des Annahmeverzugs ist gem. § 615 S. 2 BGB die Anrechnung des Verdienstes, den der Geschäftsführer infolge des Unterbleibens der Arbeitsleistung erwirbt. Eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes während der unwiderruflichen Freistellung darf nur dann erfolgen, wenn dies ausdrücklich vereinbart worden ist (vgl. BAG v. 16.7.2013 – 9 AZR 50/12, juris Rn 19/20). Bei einer unwiderruflichen Freistellung unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Anrechnung anderweitigen Verdienstes kann der Geschäftsführer gem. § 157 BGB in der Regel davon ausgehen, in der Verwertung seiner Arbeitsleitung frei und nicht mehr an vertragliche Wettbewerbsverbote (§ 60 HGB) gebunden zu sein. Dies ergibt sich aus der bei der Auslegung der Freistellungserklärung zu berücksichtigenden Interessenlage (vgl. BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05).
Rz. 327
Die Auslegung der Freistellungserklärung kann auch ergeben, dass – abweichend von § 615 S. 2 BGB – eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes nicht erfolgen soll. Dann ist davon auszugehen, dass die GmbH auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes nicht verzichten wollte (vgl. BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine Freistellung das Wettbewerbsverbot nicht aufhebt. Ein Arbeitgeber hat auch dann ein erkennbares Interesse an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots, wenn der Geschäftsführer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wird (vgl. BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11).
Rz. 328
Eine Anrechnung anderweitig erzielter Vergütung aufgrund einer Regelung in einem Prozessvergleich scheidet aus, wenn die Parteien bei einer unwiderruflichen Freistellung die Anrechnung anderweitigen Einkommens nicht regeln, und zudem eine Ausgleichsklausel zur abschließenden Regelung aufnehmen (vgl. BAG v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11). Auch bei einer in einem Aufhebungsvertrag vereinbarten unwiderruflichen Freistellung unter Fortzahlung des Entgelt...