Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 431
Die Gefahr des Eintrittes einer vGA tritt vornehmlich bei Verträgen zwischen beherrschenden Gesellschafter und "ihrer" Gesellschaft ein, da hierbei vielfach gegen die Grundsätze des fremdüblichen Geschäftes verstoßen werden kann.
a) Begriff der Beherrschung
Rz. 432
Verträge mit sog. beherrschenden GGF unterliegen aufgrund der höchstrichterlichen Rspr. einer strengen formellen Prüfung. Danach kann selbst dann eine vGA vorliegen, wenn der Leistungsaustausch von Umfang und Inhalt angemessen ist, also Leistung und Gegenleistung wie zwischen Fremden üblich vereinbart wurden, aber keine ordnungsgemäße Dokumentation dieser Leistungsbeziehung vorliegt.
Rz. 433
Der BFH geht bei einem Beherrschungsverhältnis davon aus, dass in Bezug auf das Vertragsverhältnis des GGF kein echter Interessengegensatz zwischen ihm und der Gesellschaft besteht. Bei einem beherrschenden GGF besteht daher die Gefahr von Manipulationen durch nachträgliche Vereinbarungen (BFH v. 13.12.1989, BStBl II 1990, 454; BFH v. 14.3.1990, BStBl II 1990, 795; BFH v. 2.2.1994, BStBl II 1994, 479; BFH v 21.10.2014 – VIII R 31/12 [NV], BeckRS 2015, 94884). Bei der Bestimmung der gleichgerichteten Interessen ist auf den Einzelfall abzustellen. So ist eine beherrschungsähnliche Gesellschafterstellung aufgrund eines Zusammenwirkens von Minderheitsgesellschaftern im gleichgerichteten Interesse ohne Vorliegen besonderer Gründe nicht anzunehmen, wenn die mit unterschiedlichen Quoten beteiligten Gesellschafter gleich hohe Gewinntantiemen erhalten (FG München, Beschl. v. 8.1.2014, DStRE 2015, 1236).
Rz. 434
In diesem Zusammenhang gilt ein Gesellschafter als beherrschend, sofern er den Abschluss des zu beurteilenden Rechtsgeschäftes erzwingen kann. Folgende Kriterien sind hierbei zu berücksichtigen:
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Höhe der Beteiligung; maßgeblich ist nicht die kapitalmäßige Höhe, sondern die Höhe der Stimmrechte, |
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Mehrheitserfordernisse in der Gesellschaft, |
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besondere Umstände des Einzelfalls. |
Rz. 435
Die Rspr. hat in diesem Zusammenhang folgende Vermutungen aufgestellt:
Rz. 436
Eine mittelbare Beherrschung über eine oder mehrere Beteiligungsketten ist ebenfalls ausreichend.
Rz. 437
Besondere Umstände, die bei Nichtvorliegen der Stimmrechtsmehrheit zu einer beherrschenden Gesellschafterstellung führen, liegen bspw. im Fall gleichgerichteter Interessen mehrerer Gesellschafter vor (BFH v. 29.7.1992, BStBl II 1993, S. 247). Das Vorliegen gleichgerichteter Interessen im konkret zu beurteilenden Fall kann zudem erforderlich sein bei nahen Angehörigen (z.B. Ehegatten). Eine gesetzliche Vermutung gleichgerichteter Interessen besteht bei Ehegatten jedoch nicht (BVerfG v. 12.3.1985, BStBl II 1985, 475; BFH v. 1.2.1989, BStBl II 1989, 522).
Rz. 438
Hat ein Gesellschafter, der nicht über die Stimmrechtsmehrheit verfügt, bspw. eine hohe Forderung ggü. der Gesellschaft, liegt darin nach der Rspr. des BFH kein besonderer Umstand, der zu einer beherrschenden Gesellschafterstellung führt. Laut BFH kann der Gläubiger der Gesellschaft nicht ab einer bestimmten Höhe einer Forderung als deren faktischer Gesellschafter angesehen werden (BFH v. 6.12.1995, BStBl II 1996, S. 383).
b) Formelle Kriterien
Rz. 439
Nach der ständigen höchstrichterlichen Rspr. (BFH v. 27.7.2009 – I B 45/09 (NV); BFH v. 9.11.2005 – I R 89/04, BB 2006, 80 mit weiteren Nachweisen) sind Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft und ihrem beherrschenden GGF, unabhängig von ihrer materiellen Angemessenheit, steuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn sie
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von vornherein klar und eindeutig getroffen sind, insb. auch die Vergütung ihrem ganzen Umfang nach im Voraus festgelegt ist, |
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zivilrechtlich wirksam sind und |
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tatsächlich durchgeführt worden sind. |
Rz. 440
Diese Voraussetzungen gelten für sämtliche Vereinbarungen mit beherrschenden GGF, d.h. auch für alle Sondervergütungen. Bei Nichtbeachtung der formellen Anforderungen werden daher sämtliche an den beherrschenden GGF gezahlten Vergütungen in voller Höhe, und somit auch i.H.d. angemessenen Teiles, als vGA behandelt.
Rz. 441
Zur Vermeidung von vGA sollte in formeller Hinsicht in der Praxis Folgendes beachtet werden:
aa) Schriftliche Vereinbarung vor Leistungserbringung
Rz. 442
Vor Erbringung der ersten Leistung des GGF, die von der Gesellschaft zu vergüten ist, sollte eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter geschlossen werden.
Rz. 443
Die Rspr. des BFH verlangt, dass vor Erbringung der Leistung durch den beherrschenden GGF, eine klare und eindeutige Vereinbarung vorliegen muss (BFH v. 9.11.2005 – I R 89/04), sog. Rückwirkungsverbot. Fehlt es an einer Vereinbarung im Vorhinein, besteht eine widerlegbare Vermutung, dass die Zuwendung im Gesellschaftsverhältnis begründet ist (zu Dauerschuldverhätnissen vgl. BFH v. 28.6.2002 – IX R 68/99, BStBl II 2002, 699; BFH v. 29.4.1987, BStBl II 1987, 797; BFH v. 2.3.1988,...