Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 319
Für die Praxis sehr relevant ist die Frage, ob ein abberufener Geschäftsführer, bei dem kein sog. ruhendes Anstellungsverhältnisses besteht, welches nach der Abberufung aufleben könnte, und keine vertragliche Beschäftigungsvereinbarung für den Fall der Abberufung getroffen ist, verpflichtet ist, für die restliche Dauer seines Geschäftsführervertragsverhältnisses bis zum Ablauf der – unter Umständen langen ordentlichen – Kündigungsfrist oder Befristung eine Leitungsaufgabe unterhalb der Geschäftsführungsebene auszuüben.
Rz. 320
Nach (noch) herrschender Meinung muss der abberufene Geschäftsführer eine angemessene andere leitende Stellung einnehmen, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht, soweit die Gesellschaft dies verlangt (vgl. BGH v. 11.10.2010 – II ZR 266/08, juris Rn 9; BGH v. 9.2.1978 – II ZR 189/76, DB 1978, 878 = NJW 1978, 1435 Geschäftsführer; BGH v. 14.7.1966 – II ZR 212/64, WM 1966, 698, 699 = GmbHR 1966, 277 für ein abberufenes Vorstandsmitglied; OLG Karlsruhe v. 25.8.1995 – 15 U 286/94, GmbHR 1996, 208; OLG Düsseldorf v. 15.1.1987, DB 1987, 1099 = BB 1987, 567; vgl. auch Fonk, NZG 1998, 408, 410). Entscheidend sei, auf die Zumutbarkeit einer angebotenen Ersatztätigkeit abzustellen (vgl. BAG v. 8.8.2002 – 8 AZR 574/01, NZA 2002, 1324 = DB 2002, 2273 unter Bezug auf OLG Karlsruhe v. 25.8.1995, GmbHR 1996, 208). Das Problem in der Praxis liegt regelmäßig in der meist unsicheren Einschätzung, ob die neue Aufgabe angemessen, d.h. zumutbar ist.
Hinweis
1. |
Übernimmt der (ehemalige) Geschäftsführer die neue Aufgabe nicht, geht er das Risiko einer fristlosen Kündigung ein. |
2. |
Faktisch tritt er daher die neue Aufgabe unter Vorbehalt an und lässt parallel die Zumutbarkeit im Wege der Feststellungsklage gerichtlich klären (vgl. Bayer/Rempp, GmbHR 1999, 530, 532). |
Rz. 321
Diese Rspr. bedarf schon seit Längerem, zumindest nach der Entscheidung des BGH v. 11.10.2010 – II ZR 266/08 (vgl. GmbHR 2011, 82 Geschäftsführer der Bundeskunsthalle Bonn), der Korrektur. Darin hat der BGH entschieden, dass ein abberufener Geschäftsführer keinen Anspruch auf Beschäftigung weder als Geschäftsführer noch in einer seiner früheren Tätigkeit vergleichbaren leitenden Funktion hat (zustimmend Goette, DStR 2011, 229, 230). Das muss dann auch umgekehrt gelten (ebenso Lunk/Rodenbusch, NZA 2011, 497). Der BGH deutet seine Zustimmung zu dieser Linie bereits an, indem er in der vorgenannten Entscheidung ausführt, dass eine Tätigkeit unterhalb der Organebene typischerweise nicht vereinbart sei, sondern dies stelle ein aliud zu der Geschäftsführertätigkeit dar und könne daher regelmäßig aus einem Anstellungsvertrag als Geschäftsführer nicht hergeleitet werden. Ferner bestehe im Regelfall zwischen dem abberufenen Geschäftsführer und der Gesellschaft kein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis mehr. Die Gesellschaft habe aber gerade Interesse daran, im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit die Leitungspositionen in ihrem Unternehmen mit Personen ihres Vertrauens zu besetzen (vgl. BGH v. 11.10.2010 – II ZR 266/08; ebenso OLG München v. 24.03. 2016 – 23 U 1884/15).
Rz. 322
Die GmbH kann daher richtigerweise keine Tätigkeiten unterhalb der GF-Ebene von dem abberufenen Geschäftsführer verlangen. Der Geschäftsführer ist nach seinem Geschäftsführervertrag nur verpflichtet ist, die vertraglich geschuldeten Geschäftsführer-Dienste anzubieten und nicht irgendwelche anderen Dienste, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist (vgl. ebenso Kothe-Heggemann/Schelp, GmbHR 2011, 75, 77 f.; ähnlich Moll, in: FS Schwerdtner, 2005, S. 453, 462 ff.; Diller, NZG 2011, 254; [noch] offengelassen vom BGH v. 11.10.2010 – II ZR 266/08, GmbHR 2011, 82 Geschäftsführer der Bundeskunsthalle Bonn). Der abberufene Geschäftsführer kann danach die Übernahme anderer, nicht Geschäftsführungs-Aufgaben ablehnen, ohne dass die Gesellschaft das Recht hätte, aus diesem Grund wegen Arbeitsverweigerung das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen oder aber berechtigt wäre, die Vergütung zurückzuhalten (vgl. ebenso Kothe-Heggemann/Dahlbender, GmbHR 1996, 650). Die Gesellschaft ist grds. gem. § 615 S. 1 BGB zur Fortzahlung der Bezüge unter Berücksichtigung etwaiger Anrechnung gem. § 615 S. 2 BGB verpflichtet. Umstritten ist dabei, ob bzw. inwieweit die Ablehnung einer Tätigkeit unterhalb der Geschäftsführungsebene ein böswilliges Unterlassen darstellt (vgl. zum Meinungsstand Bork, NZA 2015, 199). M.E. spricht die oben dargestellte Rspr., wonach der Geschäftsführer keinen Beschäftigungsanspruch hat – und dies auch umgekehrt gelten muss – klar dafür, dass kein böswilliges Unterlassen des ehemaligen Geschäftsführers bei Ablehnung irgendwelcher Alternativtätigkeiten vorliegen kann (s. auch zu § 615 S. 2 BGB unten Rdn 326 ff.). Im Fall des Vorenthaltens der Dienstbezüge ist es auch nicht grob treuwidrig, in Konkurrenz tätig zu sein (vgl. OLG München v. 24.3.2016 – 23 U 1884/15). Im Übrigen ist es dem Dienstverpflichteten im Annahmeverzug des Dienstberechtigten unbenommen...