Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
a) Schriftform
Rz. 590
In der Praxis kommt es nur äußerst selten nicht zu einem schriftlichen Vorstandsvertrag, da die Schriftform aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit unverzichtbar ist und zum pflichtgemäßen Aufsichtsratshandeln i.S.v. § 116 AktG gehört (Dokumentationspflicht des AR). Gleichwohl sind nur in einigen wenigen branchenspezifischen Spezialnormen, wie in § 3 Abs. 3 S. 2 VersVergV für Vorstände von Versicherungen bzw. § 10 Abs. 4 S. 2 InstitutsVergV für Vorstände von Bankinstituten, das gesetzliche Schriftformerfordernis vorgesehen. Ansonsten ist gesetzlich grundsätzlich keine Schriftform vorgeschrieben (vgl. Schmidt/Lutter/Seibt, § 84 Rn 30). Fehlt ein schriftlicher Vertragsabschluss, kommt es zu einem konkludenten Vertragsschluss mit dem Tätigwerden des Bestellten (vgl. OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 213); s. nachfolgend zu "schriftlich" auch Rdn 591 ff.
b) Vorstand als Verbraucher – Kontrollfähigkeit der Vertragsbedingungen – Textform
Rz. 591
Soweit es sich bei dem Vorstandsvertrag um einen Formularvertrag der AG i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB mit für eine Vielzahl von Vorstandsverträgen vorformulierten Vertragsbedingungen handelt, ist der Weg für eine Inhaltskontrolle gegeben; es handelt sich um allgemeine Geschäftsbedingungen. Dies ist im Einzelfall genau zu prüfen, in der Praxis aufgrund mangelnder Kenntnis über die anderen Vertragssituationen allerdings nicht immer einfach. Es gilt zwar der Erfahrungsgrundsatz, dass je höher die Position angesiedelt ist, umso mehr individuell verhandelt wird. Gleichwohl kommen (identisch) vorformulierte Vertragsbedingungen bspw. für alle Vorstände in einem Großkonzern durchaus vor. Sie sind oftmals einheitlich ausgestaltet, weshalb die §§ 305 ff. BGB zu beachten sind (vgl. BGH v. 24.9.2019 – II ZR 192/18, juris Rn 13; Mutter, AG 2016, R316).
Rz. 592
In der Praxis kann es aus den vorgenannten Gründen im Zweifel entscheidend darauf ankommen, ob das Vorstandsmitglied bei Abschluss seines Vorstandsvertrages als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB gehandelt hat, wodurch der erweiterte Anwendungsbereich des § 310 Abs. 3 BGB eröffnet ist. Davon ist auszugehen, auch wenn eine explizite Entscheidung des BGH noch aussteht (vgl. Holthausen, NZG 2022, 731, 735). Ausdrücklich hat bereits das BAG den GmbH-Geschäftsführer bei Abschuss seines Dienstvertrages als Verbraucher angesehen (vgl. BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 = DB 2010, 2048; vgl. ferner Bauer/Arnold, ZIP 2006, 233; vgl. ferner Weppner, BB 2010, 790 unter Bezug auf LG Düsseldorf v. 6.11.2009, BB 2010, 789).
Rz. 593
Mit Wirkung zum 1.10.2016 hat der Gesetzgeber durch die Änderung des § 309 Nr. 13 BGB in die Formwahlfreiheit zulasten der Unternehmen eingegriffen. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen im Interesse der Verbraucher missverständliche Schriftformklauseln künftig ausgeschlossen werden. Für Erklärungen oder Anzeigen des Verbrauchers ggü. dem Verwender oder einem Dritten soll nur noch Textform wirksam vereinbart werden können. Bloße vertragliche Anzeigepflichten, wie ehrenamtliche Betätigungen, können nicht mehr der harten Schriftform unterworfen werden, sondern es genügt die Textform (vgl. Mutter, AG 2016, R 316). Für Kündigungen, sowohl seitens des Unternehmens wie des Vorstands, gibt es keine Änderungen ebenso wenig wie beim Zustimmungserfordernis des Unternehmens für etwaige Nebentätigkeiten des Vorstandsmitglieds. Insoweit kann weiterhin die Schriftform im Vertrag vereinbart werden.
c) Vorstand als Arbeitnehmer – Arbeitnehmerschutz?
Rz. 594
Nach der Rechtsprechung des BGH sind Organmitglieder keine Arbeitnehmer i.S.d. arbeitsrechtlichen Bestimmungen, da sie selbst Arbeitgeberfunktionen ausüben (vgl. BGH v. 26.3.2019 – II ZR 244/17, juris Rn 27; BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, juris Rn 7). Ob bzw. inwieweit die Rechtsprechung des EuGH zum GmbH-GF als Organ der GmbH auf das Vorstandsmitglied einer AG ausstrahlt, ist umstritten (vgl. ablehnend Spindler/Stilz/Fleischer, § 84 AktG Rn 27 m.w.N.).
Rz. 595
Während beim GmbH-GF als Organ der GmbH seit der Danosa-Entscheidung des EuGH (vgl. EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09); vgl. ferner EuGH v. 9.7.2015 – Rs. C-229/14 Balkya; EuGH v. 10.9.2015 – Rs. C-47/14 Holtermann) nicht mehr über die Arbeitnehmereigenschaft an sich, sondern nur noch über den Umfang der Anwendung von Arbeitnehmerschutzrechten für (Fremd-)Geschäftsführer diskutiert wird (s. oben Rdn 148 ff.), ist nicht geklärt, ob bzw. inwieweit dies für den Vorstand als weisungsfreiem und (nur) Zustimmungsvorbehalten unterliegendem Organ der AG gelten könnte. Es geht zumindest um alle auf Unionsrecht basierenden Arbeitnehmerschutzvorschriften. Nach der Rspr. des EuGH ist die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das dieser gegenüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, zu bejahen, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält (vgl. EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09 Danosa).
Rz. 596
Der Aufsichtsrat einer AG...