Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 220
Die GmbH kann – unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen – gem. § 38 Abs. 1 GmbHG grds. jederzeit und ohne Grund den Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss abberufen (= Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer). Die Abberufung wird mit Zugang der Erklärung wirksam. Soweit der Gesellschafterbeschluss unklar ist, ist auch ein unklarer Beschluss wirksam, solange dieser auslegungsfähig ist. Es gelten die allgemeinen Regeln zur Auslegung nach §§ 133, 157 BGB (vgl. BGH v. 23.1.2018 – II ZR 76/16, juris; Scholz/Schmidt/Bachmann, § 45 GmbHG Rn 24; BFH v. 1.6.2022 – I R 31/19, juris; FG Düsseldorf v. 18.11.2022 – 3 K 590/21 H; juris Rn 33). Eine vorherige Anhörung des Geschäftsführers ist nicht notwendig (vgl. Henssler/Strohn/Oetker, § 38 GmbHG Rn 13 m.w.N.).
Rz. 221
Der Geschäftsführer kann gegen den Widerruf der Organbestellung im Klageweg vorgehen (vgl. OLG München v. 24.3.2016 – 23 U 1884/15, juris). Die Klage gegen die Abberufung hat in der Regel (nur) Erfolg, wenn der Abberufungsbeschluss nichtig ist (vgl. Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 80 Rn 108). Höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, ob auch eine einstweilige Verfügung möglich ist (vgl. Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 80 Rn 108 m.w.N.). In der Abberufung als solcher liegt kein Schadensersatz begründendes vertragswidriges Verhalten der GmbH i.S. des § 628 BGB. Allerdings kann der abberufene GmbH-GF gem. § 626 BGB außerordentlich kündigen (vgl. BGH v. 6.3.2012 – II ZR 76/11, DB 2012, 1656 = NJW 2012, 1656; BGH v. 28.10.2002, ZIP 2003, 28, 29). (vgl. zur Zumutbarkeit/Nichtzumutbarkeit der [Weiter-] Beschäftigung mit Aufgaben unterhalb der Geschäftsführer-Ebene nach der Abberufung, unten Rdn 319 ff.).
Rz. 222
Hinweis zur Abberufung
1. |
Für den Beschluss über die Abberufung des Geschäftsführers ist grundsätzlich die Gesellschafterversammlung zuständig (s. oben Rdn 186 ff.). |
2. |
Nicht vergessen werden darf, dass die Abberufung erst mit Zugang der Erklärung beim Geschäftsführer wirksam wird (vgl. Rowedder/Pentz/Belz, GmbHG, § 38 Rn 21; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, GmbHG, § 38 Rn 29/30). |
3. |
War der Geschäftsführer bei der Beschlussfassung nicht anwesend, muss ihm der Abberufungsbeschluss mitgeteilt werden (s. oben Rdn 192). |
4. |
Beachte: Der Grundsatz der freien Abberufbarkeit kann aus Gründen des Europarechts (s. oben Rdn 162 ff. und unten Rdn 224 ff.) oder aus Vereinbarungen im Geschäftsführerdienstvertrag oder der Satzung (siehe unten Rdn 224 ff.) eingeschränkt sein. |
Rz. 223
Umgekehrt kann der Geschäftsführer sein Amt niederlegen, ggf. mit der Absicht, einer drohenden Abberufung zuvorzukommen oder um die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG bei der Thematik des Rechtswegs zu beseitigen (vgl. im Einzelnen unten Rdn 367 ff.). Die Amtsniederlegung ist unabhängig davon wirksam, ob ein wichtiger Grund für den Geschäftsführer gegeben ist. Fehlt dieser aber, ist die GmbH zur fristlosen Kündigung des Dienstverhältnisses nach § 626 BGB berechtigt. Bei einer Niederlegung zur Unzeit macht sich der Geschäftsführer ferner schadensersatzpflichtig (vgl. zur Handelsregister-Austragung oben Rdn 194).
Rz. 224
Der Grundsatz der freien Abberufbarkeit kann indes aufgrund Unionsrechts eingeschränkt sein. Dies folgt zwingend aus der Danosa-Entscheidung des EuGH (vgl. EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09 Schwangerschaft). Darin misst der EuGH der deutschen Besonderheit der Trennung/Aufteilung der GmbH-Tätigkeit in Anstellung und Bestellung (Trennungstheorie, s. oben Rdn 147, s. unten Rdn 251) keine Bedeutung bei. Die Vorgaben des EuGH gelten daher identisch für die Kündigung wie für die Abberufung des Geschäftsführers (vgl. ebenso Henssler/Strohn/Oetker, § 38 GmbH-Gesetz Rn 8). Ferner kann die freie Abberufbarkeit durch die Satzung von den Vertragsparteien eingeschränkt werden (vgl. Henssler/Strohn/Oetker, § 38 GmbHG, Rn 20/21). Im Gesellschaftsvertrag der GmbH kann im Interesse des Geschäftsführers festgelegt sein, dass die Abberufung des Geschäftsführers nur dann zulässig ist, wenn dies aus wichtigen Gründen notwendig ist (§ 38 Abs. 2 GmbHG). Diese Erschwernis der Abberufbarkeit ist sowohl zugunsten des geschäftsführenden Gesellschafters als auch zugunsten des Fremdgeschäftsführers möglich (str., wie hier bereits OLG Köln v. 16.3.1988, GmbHR 1989, 76, 78, = NJW-RR 1989, 352; ebenso Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, GmbHG, § 38 Rn 40 m.w.N.). Jedoch wird nur ein für die GmbH sehr wichtiger Fremdgeschäftsführer im Ausnahmefall eine solche satzungsmäßige Regelung bei seiner Einstellung erzielen können, wenn dazu eine Änderung/Neufassung des Gesellschaftsvertrages erforderlich ist.
Rz. 225
Vereinbarungen im Geschäftsführerdienstvertrag, wonach die Bestellung für eine feste Laufzeit oder die Abberufung nur aus einem wichtigen Grund erfolgt, können zwar vereinbart werden, haben aber nur schuldrechtliche Wirkung. Die Abberufung kann damit nicht verhindert werden. Der Geschäftsführer ist ggf. au...