Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 200
Gem. § 6 Abs. 3 AGG gelten die Vorschriften des 2. Abschnitts des AGG zum Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung entsprechend auch für Geschäftsführer, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft.
Rz. 201
Ob diese beschränkte Anwendung des AGG bei Geschäftsführern europarechtskonform ist, muss nach der Danosa-Entscheidung des EuGH (vgl. EuGH v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09, NZA 2011, 143 = DB 2011, 2270, s.o. Rdn 162 unwirksame Abberufung einer schwangeren Geschäftsführerin) für den Fall einer Trennung bezweifelt werden (ebenso Bauer, GWR 2010, 586). In der Tendenz ist davon auszugehen, dass aufgrund dieser EuGH-Rspr. das AGG umfassend auf GmbH-GF Anwendung finden wird.
Rz. 202
Die neuere Entwicklung bestätigt die vorgenannte, in den Vorauflagen bereits beschriebene Tendenz. Denn nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH ist der Fremdgeschäftsführer einer GmbH bei europarechtskonformer Auslegung jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer i.S.v. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AGG anzusehen, wie bei einer Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes über § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG eröffnet ist (vgl. BGH v. 26.3.2019 – II ZR 244/17, juris). Damit war im Entscheidungsfall die Kündigung letztlich unwirksam wegen Altersdiskriminierung. Der BGH hob die Vorinstanz auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht.
Rz. 203
Ferner hat die EuGH-Rechtsprechung eine weitreichende Diskussion zum Umfang der Anwendung von Arbeitnehmerschutzrechten für Fremdgeschäftsführer und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer ausgelöst (vgl. oben Rdn 162; unten Rdn 238 ff.).
Rz. 204
Weitere Entscheidungen zum AGG: Eine nicht geschlechtsneutral ausgeschriebene Stellenausschreibung stellt jedenfalls einen Verstoß gegen § 11, § 7 Abs. 1 AGG dar, der zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG führt (vgl. OLG Karlsruhe, 13.9.2011 – 17 U 99/10, GmbHR 2011, 1147). Auch die Nichtberücksichtigung wegen Alters (62 Jahre) in einem neuen Auswahlverfahren nach Auslaufen eines befristeten Geschäftsführungsvertrages kann zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG führen (vgl. BGH v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, NZA 2012, 797 = DB 2012, 1499 medizinischer Geschäftsführer der Kliniken der Stadt Köln; kritisch zu Altersgrenzen bei Organmitgliedern, Thüsing, NZG 2011, 641). Dabei kommt regelmäßig in diesen Fällen dem klagenden Geschäftsführer(-Kandidaten) die Beweiserleichterung nach § 22 AGG zugute. Die vom BGH in der vorgenannten Entscheidung (v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, NZA 2012, 797 = DB 2012, 1499) offengelassene Frage, ob ein Fremdgeschäftsführer, der nicht an der GmbH beteiligt ist, im Wege der Auslegung des § 6 Abs. 1 AGG als Beschäftigter, insbesondere als Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift, angesehen werden kann, ist aufgrund der o.g. EuGH-Rechtsprechung zu bejahen (vgl. BGH v. 26.3.2019 – II ZR 244/17, juris).