Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 566
Zuständig für den Abschluss und den Inhalt des Dienstvertrages mit dem Vorstandsmitglied ist gem. § 112 AktG der Aufsichtsrat der AG (s. zu den Konsequenzen bei einem unwirksam gewählten AR, unten Rdn 578). Der Aufsichtsrat ist auch zuständig für den Abschluss eines Dienstvertrages mit dem 1. Vorstand bei der Vor-AG. Dies gilt auch dann, wenn die Eintragung der AG später scheitert. In diesem Fall kommt eine Anpassung des Vorstandsdienstvertrages entsprechend den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht (vgl. OLG München v. 9.8.2017 – 7 U 2663/16). Denn für Rechtsgeschäfte der AG mit einem zukünftigen Vorstandsmitglied ist der Aufsichtsrat zuständig, sofern diese Verträge im Vorfeld der Bestellung abgeschlossen werden und mit dieser in Zusammenhang stehen (vgl. BGH v. 15.1.2019 – II ZR 392/17, juris). Der Abschluss des die Vergütung eines Vorstandsmitglieds betreffenden Vertrags fällt auch dann in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats, wenn er von der Gesellschaft nicht mit dem Vorstandsmitglied selbst, sondern mit einem Dritten abgeschlossen wird (Drittanstellung) und mit dem Dritten eine Vergütung für die Vorstandstätigkeit vereinbart wird (vgl. Koch, AktienG, § 84 Rn 17). Dies gilt auch, wenn das Vorstandsmitglied nur vorübergehend tätig werden soll (vgl. BGH v. 28.4.2015 – II ZR 63/14 von einer Beratungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH an die AG gestellter Interim-Vorstand). Insofern vertritt der Aufsichtsrat die AG nicht nur bei Rechtsgeschäften, die mit einem Vorstandsmitglied selbst geschlossen werden, sondern auch bei Rechtsgeschäften mit einer Gesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter ein Vorstandsmitglied ist (vgl. BGH v. 15.1.2019 – II ZR 392/17, juris Ls).
Rz. 567
Der Abschluss eines Beratervertrags ist keine Geschäftsführungsmaßnahme, für die ausschließlich der Vorstand zuständig ist, wenn in dem Beratervertrag die Zahlung eines Pauschalhonorars durch die Aktiengesellschaft vereinbart wird, mit dem auch die Vergütung eines Vorstandsmitglieds abgegolten werden soll. Vielmehr ist dafür der Aufsichtsrat zuständig. Ob der Vertrag als Beratervertrag und die zu erbringenden Leistungen als Beraterleistungen bezeichnet werden, ist ohne Belang. Maßgeblich ist nicht die Bezeichnung, sondern der Inhalt der Vereinbarung (vgl. OLG München v. 12.1.2017 – 23 U 3582/16, juris).
Rz. 568
Die in § 112 AktG festgelegte Vertretung durch den Aufsichtsrat verfolgt den Zweck, einen Konflikt wegen möglicherweise gegenläufiger Interessen von Vorstandsmitglied und Gesellschaft zu vermeiden und die unbefangene Wahrung von Gesellschaftsbelangen zu gewährleisten. Bei parallelen Willenserklärungen tritt eine korrigierende Interessenlage nicht ein, sodass diese Erklärungen im Rahmen eines mehrseitigen Vertrages mit einem Dritten nicht vom Schutzzweck des § 112 AktG erfasst werden (vgl. BGH v. 25.7.2017 – II ZR 235/15 mit zustimmender Anm., Rubner, BOARD 2017, 288). § 112 AktG findet auch beim Formwechsel von einer GmbH in eine AG vor Eintragung des Rechtsformwechsels im Handelsregister auf die umzuwandelnde GmbH keine Anwendung. Etwas anderes gilt, wenn es um Rechtsgeschäfte geht, die die Bestellung des Vorstands der AG und möglicherweise die hierfür erforderlichen vertraglichen Vereinbarungen betreffen (vgl. BAG v. 20.9.2016 – 3 AZR 77/15). Ist an die Stelle eines auf der Organmitgliedschaft beruhenden Dienstverhältnisses ein Arbeitsverhältnis zwischen dem früheren Organmitglied und der AG getreten, so werden Rechtsgeschäfte, die ausschließlich dessen vertragliche Fortentwicklung oder Beendigung regeln, nicht von § 112 AktG erfasst (vgl. BAG v. 20.9.2016 – 3 AZR 77/15, juris).
Rz. 569
Zulässig – und in größeren AG durchaus üblich – ist es, die Vorbereitung des Vorstandsvertrages auf einen mit mindestens drei Aufsichtsratsmitgliedern besetzten Ausschuss des Aufsichtsrates, z.B. einen Personalausschuss gem. § 107 Abs. 3 AktG zu übertragen (vgl. BGH v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, Nr. 2 der Gründe, DB 1981, 308 = NJW 1981, 757). Auch die abschließende Beschlussfassung über den Vorstandsvertrag kann – allerdings nur mit einer gravierenden Einschränkung – auf einen Ausschuss delegiert werden (vgl. h.M. MüKo-AktG/ Spindler, § 84 AktG Rn 72 m.w.N.). Durch das am 5.8.2009 in Kraft getretene Gesetz zu Angemessenheit der Vorstandsvergütung – VorstAG – (BGBl I, 2509) hat der Gesetzgeber die Grenze der delegierbaren Beschlussfassung neu gezogen. Mit der Neufassung des § 107 Abs. 3 AktG darf die Entscheidung über die Vorstandsvergütung, die ein Kernbestandteil des Vorstandsvertrags ist, gem. §§ 107 Abs. 3 S. 7 i.V.m. § 87 AktG), nicht mehr an einen Ausschuss des Aufsichtsrate delegiert werden, sondern muss zwingend vom Aufsichtsrats-Plenum getroffen werden. Dies beinhaltet eine deutliche Kompetenzverschiebung. Die insb. in den großen börsennotierten DAX-AG verbreitete Praxis, dass über die individuelle Vorstandsvergütung in den Ausschüssen (vertraulich) abschließend entschieden wird, ist nicht mehr möglich. Wi...