Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 627
Neben der normalen Festvergütung (monatlich feste Bezüge × 12 oder 13 zuzüglich Altersversorgung sowie Nebenleistungen wie Dienstwagen, Versicherungsprämien oder Umzugskosten, die erfolgsunabhängig gezahlt werden), wird Vorstandsmitgliedern regelmäßig als Anreiz für eine gute Unternehmensentwicklung eine variable Zusatzvergütung zugesagt, die unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Im Grundsatz soll bei einer positiven Performance der Vorstand durch eine steigende Vergütung belohnt werden. Bei einer negativen Entwicklung des Unternehmens soll dies umgekehrt gelten. Es bestehen trotz einiger Restriktionen erhebliche Gestaltungsspielräume.
Rz. 628
Die maßgeblichen Eckpunkte für die Gesamt-Vergütung der Vorstände – neben § 87 AktG – ergeben sich aus dem am 1.1.2020 in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) und der aktuellen Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex v. 28.4.2022 (DCGK 2022), der am 27.6.2022 in Kraft getreten ist. Beide Regelwerke sind eng miteinander verzahnt (vgl. Müller-Bonani/Jenner/Denninger, AG 2021, 339).
Rz. 629
Ausgangspunkt für die Vorstandsvergütung börsennotierter Gesellschaften ist danach § 87a AktG, der aufgrund des ARUG II mit Wirkung zum 1.1.2020 in das Aktiengesetz eingefügt wurde. Nach § 87a AktG beschließt der Aufsichtsrat der börsennotierten Gesellschaft ein klares und verständliches System zur Vergütung der Vorstandsmitglieder (Vergütungssystem). Auf dieser Basis bestimmt der Aufsichtsrat die konkrete Vergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder (vgl. Ziffer G.I. Vergütung des Vorstands, Grundsatz 24 Abs. 1, S.17 DCGK i.d.F. v. 28.4.2022, www.dcgk.de).
Rz. 630
Mindestens alle vier Jahre hat die Hauptversammlung über die Billigung des Vergütungssytems zu beschließen (say on pay). Denn aufgrund des ebenfalls zum 1.1.2020 neu eingefügt § 120a AktG beschließt die Hauptversammlung der börsennotierten Gesellschaft über die Billigung des vom Aufsichtsrat vorgelegten Vergütungssystems für die Vorstandsmitglieder bei jeder wesentlichen Änderung des Vergütungssystems, mindestens jedoch alle vier Jahre (vgl. Rinker, ZCG 2021, 31). Der Beschluss begründet – wie zuvor auch schon – weder Rechte noch Pflichten. Er ist nicht nach § 243 AktG anfechtbar. Ein das Vergütungssystem bestätigender Beschluss ist zulässig.
Rz. 631
Auf der Basis des Vergütungssystems soll der Aufsichtsrat für jedes Vorstandsmitglied zunächst dessen konkrete Ziel-Gesamtvergütung festlegen, die in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage des Unternehmens steht und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigt (Empfehlung G. 2, S. 17 DCGK) soll. Zur Beurteilung der Üblichkeit der konkreten Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder im Vergleich zu anderen Unternehmen soll der Aufsichtsrat eine geeignete Vergleichsgruppe anderer Unternehmen heranziehen, deren Zusammensetzung er offenlegt. Der Peer Group-Vergleich ist mit Bedacht zu nutzen, damit es nicht zu einer automatischen Aufwärtsentwicklung kommt (Empfehlung G. 3, S.18 DCGK). Zur Beurteilung der Üblichkeit innerhalb des Unternehmens soll der Aufsichtsrat das Verhältnis der Vorstandsvergütung zur Vergütung des oberen Führungskreises und der Belegschaft insgesamt und dieses auch in der zeitlichen Entwicklung berücksichtigen (Empfehlung G. 4, S. 18 DCGK).
Rz. 632
Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Empfehlung G.1, S. 17 DCGK, wonach im Vergütungssystem durch den Aufsichtsrat insbesondere festgelegt werden soll, wie für die einzelnen Vorstandsmitglieder die Ziel-Gesamtvergütung bestimmt wird und welche Höhe die Gesamtvergütung nicht übersteigen darf (Maximalvergütung). An diesem Wert sind die Medien regelmäßig sehr interessiert, da dies im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Dabei kann fraglich sein, welche Leistungen unter dem Begriff der Maximalvergütung fallen (vgl. den Ansatz von Müller-Bonanni/Jenner/Denninger, AG 2021 Rn 14 ff.). Bedeutsam ist im Zusammenhang der Maximalvergütung die neue Relevanz der Hauptversammlung. Denn die Hauptversammlung kann gem. § 87 Abs. 4 AktG auf Antrag nach § 122 Abs. 2 S. 1 AktG (Minderheitsverlangen) die nach 87a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG vom Aufsichtsrat im Vergütungssystem festgelegte Maximalvergütung für die Vorstandsmitglieder herabsetzen.
Hinweis zur Maximalvergütung
Bei der Festlegung der Maximalvergütung hat die Hauptversammlung eine eigene Herabsetzungskompetenz. Diese Regelung ist durch das ARUG II neu eingefügt worden.
Rz. 633
Die variable Vergütung, die sich aus dem Erreichen der langfristig orientierten Ziele (Long Term Incentive) ergibt, soll den Anteil aus kurzfristig orientierten Zielen (Short Term Incentive) übersteigen (Empfehlung G. 7, S.18 DCGK). In der Begründung zu der Empfehlung G. 6, S.16 DCGK wird ausgeführt, dass empfohlen wird, dass bei 100-prozentiger Zielerreichung die variable Vergütung aus der Verfolgung langfristig orientierter Ziele den überwiegenden Teil der variable...