Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 1509
Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Versicherungsunternehmen und Bausparkassen und ihren im Vertrieb tätigen Angestellten findet die Norm des § 92 HGB trotz der fehlenden Verweisung entsprechende Anwendung (BAG v. 21.1.2015, EversOK Ls. 22 = NJW 2015, 2364 = juris Rn 28; BAG v. 25.10.1967, EversOK Ls. 3 = BAGE 20, 123; Trinkhaus, DB 1967, 859). Anspruch auf Provision steht dem Angestellten im Versicherungs- und Bausparkassenvertrieb gem. § 92 Abs. 3 HGB nur zu, wenn der Vertragsschluss auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist. Die unterschiedliche Behandlung dieser Angestellten zu den Werbern in anderen Branchen liegt darin begründet, dass im Regelfall längerfristige Dauerschuldverhältnisse vermittelt werden, wohingegen im Warenvertrieb immer wieder neue Kaufverträge vermittelt werden. Gem. § 92 Abs. 3 HGB ist ein Anspruch des Angestellten auf Provision nur gegeben, wenn er den Abschluss des Versicherungs- oder Bausparvertrages durch Einwirkung auf den Versicherungsnehmer oder Bausparer fördert. Dabei genügt seine Mitursächlichkeit für den Vertragsabschluss (LAG Hamm v. 10.9.1998 – 12 HKO 666/78, EversOK Ls. 3). Hat der Angestellte an der Erhöhung von Versicherungssummen oder sonstigen Prämien erhöhenden Abänderungen ursprünglich von ihm vermittelter Versicherungsverträge nicht mitgewirkt, steht ihm nach § 92 Abs. 3 HGB kein Provisionsanspruch zu (BGH v. 24.4.1986, EversOK Ls. 1 = NJW-RR 1986, 1477).
Rz. 1510
Nach zutreffender Auffassung kann dem Arbeitnehmer auch für die Vermittlung eines Pflegeversicherungsvertrages ein Anspruch auf Provision zustehen, für den nach Maßgabe der Vorschrift des § 110 SGB XI Kontrahierungszwang besteht (LAG Hamm v. 10.9.1998 – 16 Sa 2490/97, EversOK Ls. 7; a.A. ArbG München v. 27.9.1996 – 31 Ca 04369/96, EversOK Ls.). Grds. ist dem Arbeitnehmer im Versicherungsvertrieb auch für die Vermittlung von Pflichtversicherungen ein Anspruch auf Vermittlungsprovision zuzuerkennen, solange ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Versicherern besteht und der Versicherungsnehmer die Wahl hat, bei welchem Versicherer er das Risiko in Deckung gibt (vgl. auch Brück/Möller, VVG, Anm. 275 vor §§ 43 bis 48). Im Fall einer späteren Änderung eines vermittelten Versicherungsvertrags mit der Folge einer Prämienerhöhung – z.B. durch Neufestsetzung von Laufzeiten, Erhöhung von Versicherungssummen, Abschluss neuer Verträge mit bislang bei ihren Eltern versicherten Kindern – ist ein Provisionsanspruch nicht gegeben, wenn die Vertragsänderung nur durch eine werbende Tätigkeit zu erzielen ist, die zugrunde liegende Vertragsänderung also weder eine Rechtsfolge einer einseitigen Willenserklärung des Versicherers darstellt noch auf einer im ursprünglich vermittelten Vertrag geregelten Verpflichtung des Versicherungsnehmers beruht, sie zu dulden (BGH v. 24.4.1986, EversOK Ls. 5 = NJW-RR 1986, 1477). Ebenso wenig steht dem Arbeitnehmer für den Abschluss einer Pflegeversicherung mit einem von ihm betreuten Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Provision zu, wenn der Versicherer den Vertrag ohne Einschaltung des Arbeitnehmers abschließt (LAG Hamm v. 10.9.1998 – 16 Sa 2490/97, EversOK Ls. 5).
Rz. 1511
Umstritten ist in Rspr. und Literatur, ob dem ausgeschiedenen Angestellten im Versicherungsvertrieb im Hinblick auf nachvertraglich eingetretene Summenerhöhungen, z.B. bei sog. dynamischen Lebensversicherungen, Ansprüche auf Überhangprovision i.S.d. § 87 Abs. 1Var. 1 HGB (so Küstner, Anm. zu BAG v. 30.7.1985, Nr. 13 zu § 65 HGB; wohl auch OLG Düsseldorf v. 14.3.1997, EversOK Ls. 2 = OLGR 97, 146 und OLG Köln v. 1.8.2003, EversOK Ls. 8 = VersR 2004, 907, 1267 m. Anm. Greve) oder als nachvertragliche Provision i.S.d. § 87 Abs. 3 HGB (so LG Berlin v. 5.1.1978 – 4 O 244/77, EversOK Ls. 1) zustehen (zum Streitstand und den Einzelheiten vgl. Evers, ZVertriebsR 2022, 343, 347 ff.; EversOK, Anm. 3.1 ff. zu BAG v. 28.2.1984 – 7 AZR 37/81). Das BAG hat die Frage offengelassen (BAG v. 28.2.1984, EversOK Ls. = BB 1984, 1687). Es kann keineswegs als unzweifelhaft angesehen werden, ob in der Summenerhöhung aufgrund einer im Versicherungsvertrag vorgesehenen Dynamik nur eine Ausführung des vermittelten Lebensversicherungsgeschäftes liegt. Nach zutreffender Auffassung des LG Berlin (v. 5.1.1978 – 4 O 244/77, EversOK Ls. 2) stellt die Summenerhöhung ein eigenständiges Geschäft dar (Evers, ZVertriebsR 22, 343, 348; a.A. wohl OLG Düsseldorf v. 14.3.1997, EversOK Ls. 2 = OLGR 97, 146). Unter diesen Umständen kommt nur ein Provisionsanspruch nach Maßgabe des § 87 Abs. 3 HGB in Betracht (folgerichtig insoweit LG Berlin v. 5.1.1978, EversOK Ls. 1; a.A. LG Freiburg v. 18.12.1979, EversOK Ls. 13 = MDR 1980, 317, das eine Anwendung des § 87 Abs. 3 HGB ablehnt, weil die Vorschrift ihrem Wesen nach nicht anwendbar sei). Die Regelung in § 24 Abs. 2 des MTV für das private Versicherungsgewerbe, nach der angestellte Versicherungsvermittler Ansprüche aus der Einkommensregelung innerhalb einer Frist von 12 Monaten ab Beendigung des Arbeitsverh...