Peter Houben, Dr. iur. Martin Schimke
Rz. 206
Von besonderer Bedeutung ist die Vertragslaufzeit. Da der GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG genießt (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, s. aber zur Anwendung von Arbeitnehmerschutzvorschriften für Fremd-GF und Minderheitsgesellschafter-GF aufgrund der EUGH-Rspr. oben Rdn 148 ff., Rdn 166; unten Rdn 211, Rdn 236 ff.), auch keinen Sonderkündigungsschutz (s. aber unten Rdn 245 ff. mit den Besonderheiten bei der Abberufung während der Schwangerschaft nach der Rspr. des EuGH), wird der Geschäftsführer bei Abschluss eines unbefristeten Dienstvertrages zur wirtschaftlichen Absicherung vielfach an einer möglichst langen Kündigungsfrist bzw. bei Abschluss eines befristeten Dienstvertrages an einem möglichst langfristigen Vertrag interessiert sein (vgl. Diller, NZG 2011, 254 f., 255 zu den Möglichkeiten der vertraglichen Abfederung; Platten, GmbHR 2000, 922 zum "Ranking" der Optionen aus Sicht des Geschäftsführers einerseits und des Unternehmens andererseits).
Rz. 207
Soweit keine Befristung des Geschäftsführervertrags zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer vereinbart wird, liegt ein unbefristetes Dauervertragsverhältnis vor, welches grds. durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung beendet werden kann. Die gesetzliche Kündigungsfrist für Geschäftsführerdienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, folgt nach der jüngsten Rechtsprechung des 2. Senats des BAG aus § 621 BGB (vgl. BAG v. 11.6.2020 – 2 AZR 374/19, juris Ls; s. auch unten Beispiel Rdn 255 ff.).
Rz. 208
Nach der – allerdings älteren – Rspr. des BGH gilt indes als Frist für die ordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses des (Fremd-)Geschäftsführers und des nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers § 622 Abs. 1 und 2 BGB (vgl. BGH v. 26.3.1984, BGHZ 91, 217 = NJW 1984, 2528; Henssler/Strohn/Oetker, § 35 GmbHG, Rn 178/179/179a m.w.N.; Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, GmbHG, § 35 Rn 472), d.h. die Vier-Wochen-Frist zum 15. oder Ende eines Monats sowie die verlängerte Kündigungsfrist für den Arbeitgeber je nach Betriebszugehörigkeit des Geschäftsführers bis zu sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonates ab 20-jähriger Beschäftigung. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH der Linie des BAG zu § 621 BGB folgen wird. Zu begrüßen wäre, wenn der BGH bei seiner Linie zu § 622 BGB bliebe (s. auch unten Rdn 255 ff.):
Rz. 209
Denn die bereits relativ kurzen Kündigungsfristen des § 622 BGB (nach BGH) – und erst recht die Fristen des § 621 BGB ohne Verlängerung aufgrund Betriebszugehörigkeit (nach BAG) – tragen regelmäßig weder dem Kontinuitätsinteresse der GmbH noch dem Sicherungsinteresse des Geschäftsführers Rechnung und sollten daher vertraglich verlängert werden. Dies ist rechtlich unbedenklich möglich. Als unterste Grenze sind in der Praxis sechs Monate Kündigungsfrist zum Monatsende für beide Vertragsparteien relevant, nicht unüblich sind 12 Monate zum Monats- oder ggf. auch zum (Halb-)Jahresende, aber auch längere Kündigungsfristen bis zu zwei Jahren kommen vor (vgl. zur Kündigungsfrist bei Koppelungsklauseln unten Rdn 258 ff.).
Rz. 210
Für den beherrschenden GGF ist das Vereinbaren einer langen Kündigungsfrist eher zweitrangig, da ihm, solange er die Gesellschaft beherrscht, grds. nicht ohne eigene Zustimmung gekündigt werden kann.
Praxistipp
1. |
Brisanz hat die gesetzliche Absicherung des Geschäftsführers durch Kündigungsfristen aufgrund der Entscheidung des BAG v. 11.6.20 – 2 AZR 374/19, juris, bekommen. |
2. |
Nach der Rspr. des BAG folgt – entgegen der Rspr. des BGH – die gesetzliche Kündigungsfrist für Geschäftsführerdienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, aus § 621 BGB (s. auch unten Rdn 231 ff. Beispiel). |
3. |
Ein Geschäftsführer, der nicht Mehrheitsgesellschafter der GmbH ist und zu ihr in keinem Arbeitsverhältnis steht, könne sich – entgegen der Rspr. des BGH – nicht auf die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB berufen (s. auch unten Rdn 207). |
Rz. 211
Die Vereinbarung einer - langen – Vertragslaufzeit oder Kündigungsfrist (vgl. unten Rdn 207 zur üblichen Länge) als Teil des packages (Gesamtausstattung) des Geschäftsführervertrages ist für den Geschäftsführer ein Element zur Kompensierung des Entfallens des Kündigungsschutzes, soweit nicht davon abweichend durch ausdrückliche Vereinbarung, oder durch Auslegung der Vereinbarung (vgl. Ginal/Heinemann-Diehl, GWR 2014, 408 ff., 410 m.w.N.), oder ggf. ausgelöst durch die (zukünftige) Rspr. des EuGH gleichwohl das KschG zur Anwendung kommt (vgl. zur neueren Entwicklung durch die Rspr. des EuGH, BGH, BAG oben Rdn 145 ff., 165). Der Geschäftsführer muss sich im Klaren sein, dass die GmbH im Fall einer Kündigung seines Dienstvertrages grundsätzlich keinen Kündigungsgrund i.S.v. § 1 KSchG, d.h. keinen personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Grund, zur Wirksamkeit der Kündigung benötigt (vgl. BGH v. 3.11.2003 – II ZR 158/01, GmbHR 2004, 57 = NJW-RR 2004, 540; vgl. zur Abgrenzung, ob ein freies Dienstverhältnis oder ein Arb...