1. Allgemeines
Rz. 42
Bei dem Widerruf der Vollmacht ist zunächst das zugrundeliegende Rechtsgeschäft zu prüfen. Liegt ein Auftrag vor, ist von einer freien Widerruflichkeit auszugehen (§§ 671 Abs. 1, 168 BGB). Fehlt es an einem Grundgeschäft, liegt also eine so genannte isolierte Vollmacht vor, ist ebenfalls grundsätzlich eine Widerruflichkeit anzunehmen. Nach dem Erbfall können die Erben, bei einer Mehrheit von Erben jeder einzelne Erbe für sich, widerrufen. Anderer Ansicht ist Madaus, der sich dafür ausspricht, dass alle Erben gemeinschaftlich widerrufen müssen. Wenn bei einer bestehenden Erbengemeinschaft nur ein einziger Erbe widerruft, beschränkt sich die Wirkung ebenfalls nur auf seine Person. Daher könnte ein solcher Erbe nicht die Rückgabe der Vollmachtsurkunde verlangen, sondern lediglich die Eintragung eines entsprechenden beschränkenden Widerrufvermerks. Auch der eingesetzte Testamentsvollstrecker dürfte die Vollmacht kraft Amtes widerrufen, soweit seine Rechte nicht etwa nach § 2208 Abs. 1 BGB vom Erblasser beschränkt worden sind. Es kann sich sogar die Notwendigkeit ergeben, im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung nach § 2216 BGB diese Vollmacht zu widerrufen.
Rz. 43
Ob der Testamentsvollstrecker in seinen Rechten nach § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB tatsächlich beschränkt ist oder nicht, er also die zur Diskussion stehende Vollmacht wirklich widerrufen darf oder nicht, kann streitig sein. So wird angenommen, dass eine solche Beschränkung vorliegt, wenn der Erblasser dem Bevollmächtigten eine Spezialvollmacht erteilt hat. Letztlich könnten auch ein Nachlassverwalter oder ein Nachlasspfleger die Vollmacht widerrufen.
Rz. 44
Ebenfalls kann umstritten sein, ob in einer bestimmten Handlung tatsächlich der Widerruf einer Vollmacht zu erblicken ist. Häufig genug hat der Erbe von einer vom Erblasser erteilten Vollmacht keine Kenntnis. Dann könnte man durch schlüssiges Handeln des Erben an den Widerruf einer Vollmacht denken, allerdings ist der BGH hier der Auffassung, dass bei fehlender Kenntnis der Vollmacht kein entsprechendes Erklärungsbewusstsein des Erben angenommen werden könne, so dass sein Handeln unter keinem Gesichtspunkt als Widerruf der Vollmacht ausgelegt werden kann.
Rz. 45
Derartige Erkenntnisse können sich häufig erst bei Bankgeschäften ergeben, wenn etwa der Erbe über vorhandenes Guthaben verfügen will und bei der Bank entsprechende Bankvollmachten für eine dritte Person vorliegen. Dazu ist allerdings angenommen worden, dass eine Bank nicht verpflichtet ist, den Erben in diesen Fällen auf das Bestehen der Vollmacht hinzuweisen, es sei denn, es liegen Bedenken im Sinne eines Vollmachtsmissbrauchs vor. Wenn sich also der Erbe gegenüber der Bank als solcher zu erkennen gibt und sich für die Bank ein Interessenkonflikt zwischen dem Bevollmächtigten und dem Erben ergibt, wird hier nicht einmal eine Hinweispflicht angenommen. Ein Erbe sollte also vorsichtshalber alle vom Erblasser erteilten Vollmachten gegenüber der Bank widerrufen.
2. Widerrufsberechtigte
Rz. 46
Zunächst einmal liegt auf der Hand, dass der Vollmachtgeber die Vollmacht widerrufen kann, etwa für den Fall, dass er den Bevollmächtigten aus welchen Gründen auch immer nicht mehr für sich handeln lassen will oder überhaupt keinen Bevollmächtigten mehr haben möchte. Die eigenen Handlungen des Vollmachtgebers sind aber in der Praxis nicht so relevant, wie die Frage, ob ein Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigter die von dem Vollmachtgeber bis dahin erteilten Vollmachten widerrufen kann.
Rz. 47
Ist also der Vollmachtgeber selbst nicht mehr geschäftsfähig, taucht die Frage auf, ob der alsdann tätige Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte nicht ohnehin gut daran tut, alle bis dahin erteilten Vollmachten möglichst umgehend zu widerrufen, letztlich auch damit er selbst seiner Verantwortung gerecht werden kann. Ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge hat gemäß § 1902 BGB selbstverständlich die Möglichkeit, die erteilten Vollmachten zu widerrufen. Der Widerruf vom Vollmachtgeber erteilter Bankvollmachten müsste insoweit zu den ersten Handlungen eines derartigen Betreuers gehören.
Rz. 48
Entsprechendes würde ein Vorsorgebevollmächtigter, der mit einer Generalvollmacht ausgestattet ist, veranlassen, denn in diesen Fällen entfällt ja bekanntlich die Notwendigkeit einer Betreuung gem. § 1986 Abs. 2 BGB. Nur für den Fall des offenkundigen Vollmachtsmissbrauchs müsste hier eine Vollmachtsüberwachung durch eine Betreuung angeordnet werden (§ 1896 Abs. 3 BGB). Eine so genannte Vollmachtsüberwachungsbetreuung ist aber nicht nur bei dem Vollmachtsm...