Rz. 71
Die bisherigen Ausführungen finden ihren Geltungskreis im nationalen Recht. Im deutschen Rechtskreis sind insbesondere die Vollmachten, die post- oder transmortal erteilt werden, anerkannt. Sie haben sich mittlerweile zu einer gängigen Gestaltungsvariante entwickelt, um entweder einem Erben, der häufig schon vor dem Erbfall als Bevollmächtigter des Erblassers tätig war, quasi lückenlose Handlungsspielräume zu eröffnen oder aber zumindest den häufig langen Zeitraum zwischen Erbfall und Erteilung eines Erbscheins handlungsfähig zu überbrücken. Nicht immer sind die Nachlassgerichte so besetzt, dass Erbscheine innerhalb weniger Tage oder Wochen erteilt werden, wie das zumindest bei einigen Amtsgerichten noch möglich ist. Vergehen hier mehrere Monate, sind häufig wichtige Entscheidungen mit Außenwirkung zu treffen, ohne dass jemand tatsächlich handlungsfähig wäre.
Rz. 72
Nun ist es allerdings auch so, dass Erbfälle immer internationaler werden. Schon bei übersichtlich strukturiertem Nachlass ist Auslandsvermögen im Sinne von Ferienwohnsitzen oder Auslandsbeteiligungen anzutreffen. Auf Unternehmerebene dürfte dies die Regel sein. Das führt zu der Problematik, ob in diesen Fällen angeordnete post- und transmortale Vollmachten auch im internationalen Rechtsverkehr anerkannt werden. Der Berater muss dies schon im Vorfeld in seine Überlegungen einbeziehen, um entsprechende Vorsorge treffen zu können. Hierbei ist die Frage zu prüfen, ob das ggf. zur Anwendung kommende ausländische Recht solche Vollmachten zulässt. Dabei kommt es nicht auf das erbrechtliche Kollisionsrecht an, sondern ausschließlich auf das so genannte Vollmachtstatut.
Rz. 73
Art. 8 EGBGB in seiner aktuellen Fassung regelt die Anknüpfung der gewillkürten Stellvertretung dahingehend, dass das vom Vollmachtgeber vor der Ausübung der Vollmacht gewählte Recht anzuwenden ist, wenn die Rechtswahl dem Dritten und dem Bevollmächtigten bekannt ist. Ist keine Rechtswahl getroffen worden und handelt der Bevollmächtigte in Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit, so sind die Sachvorschriften des Staates anzuwenden, in dem der Bevollmächtigte im Zeitpunkt der Ausübung der Vollmacht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, dieser Ort ist für den Dritten nicht erkennbar (Art. 8 Abs. 2 EGBGB).
Darüber hinaus ist zu beachten, dass am 1.1.2009 für Deutschland das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen (ESÜ) vom 13.1.2000 in Kraft getreten ist. In diesem Übereinkommen regeln die Art. 15 ff. die Frage, welches Recht im Hinblick auf das Bestehen, den Umfang, die Änderung und die Beendigung einer Vollmacht gelten, die ausgeübt werden soll, wenn der Vollmachtgeber nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen, also die sogenannte Vorsorgevollmacht. Auch hier wird eine beschränkte Rechtswahlmöglichkeit gewährt, die schriftlich auszuüben ist. Hilfsweise wird an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erwachsenen bei Vollmachterteilung angeknüpft.
Rz. 74
Nachdem es bislang in der höchstrichterlichen Rechtsprechung unklar war, ob die Wahl des Vollmachtsstatuts zulässig ist, ist nunmehr die herrschende Meinung, dass es eine solche Wahlmöglichkeit gibt. Bei einem unternehmerisch tätigen Vertreter würde in Ermangelung einer Rechtswahl der gewöhnliche Aufenthaltsort maßgeblich sein, wenn dieser für den Dritten erkennbar ist. Art. 8 Abs. 8 EGBGB verweist zur Begriffsbestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes auf Art. 19 Rom I-VO mit der Maßgabe, dass an die Stelle des dort als maßgeblich genannten Zeitpunkts des Vertragsschlusses derjenige der Vollmachtsausübung tritt. Nach Art. 19 Abs. 1 Rom I-VO ist der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts von Gesellschaften und juristischen Person im Allgemeinen der Ort ihrer Hauptverwaltung. Wenn allerdings der Vertreter von einer eigenen Zweigniederlassung aus tätig wird, führt dies zur Anwendung des Rechts am Ort der Zweigniederlassung.
Einzelheiten sind hier noch streitig. Es dürfte aber feststehen, dass die Rechtswahl lediglich schriftlich zu erfolgen hat, weitere besondere Formerfordernis jedoch nicht erfüllt sein müssen. Aus notarieller Sicht bietet sich eine derartige Rechtswahl bereits in Vorsorgevollmachten in geeigneten Fällen an.